Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
fühle, stellt sich ein, wenn ich dieses Kleid ansehe und mir vor Augen halte, dass ich das verdammte Ding doch nicht tragen muss.
Allein sein Anblick löste normalerweise schon ein ungutes Gefühl in mir aus. Traurig, nicht wahr? Einer Hochzeit sieht man doch sonst freudig entgegen, insbesondere der eigenen. Welcher Teufel mich geritten hat, der Heirat mit Richard zuzustimmen, höre ich Sie fragen, wenn doch allein der Gedanke an seine Atemgeräusche Mordgelüste in mir auslöst?
Ich glaube, zum Teil liegt es an meinem Selbstwertgefühl oder vielmehr dem Mangel daran. Ich hatte ernsthaft angefangen zu glauben, dass ich keinen abkriegen würde. Meine Mutter hatte es mir so lange eingebläut. Als Richard dann um mich anhielt – begehrenswert, erfolgreich, klein, dunkel und gut aussehend, wie er war –, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf. Und wenn man sich so danach sehnt, verliebt zu sein, ist es sehr leicht, sich einzubilden, man sei es tatsächlich.
Und warum jetzt die Kehrtwendung? Eine Frage des Selbstschutzes. Ich bin wie ein kleines Dorf, das vom Walfisch Großstadt verschluckt wird und die eigene Individualität verliert. Oder wie das Steak, das von der Pfeffersoße ertränkt, ausgelaugt und verfälscht wird und dabei seinen Eigengeschmack völlig verliert. Allerdings hat mir jemand einen Rettungsring zugeworfen und mich an Land gezogen.
Dieser Jemand war Caro.
Ich bin seit vier Jahren Lehrerin an der hiesigen Mädchenschule, wo Caro seit neuestem Schauspiel unterrichtet.
Außerdem ist sie eine Freundin aus Kindertagen, die ich zuletzt als rappeldürre, pferdenärrische Elfjährige gesehen hatte. Ich verlor den Kontakt zu ihr, als ihr Vater, ein ziemlich hohes Tier im diplomatischen Korps, eine Stelle in Hongkong antrat. Sie ist vier Jahre älter als ich und hat mich immer schrecklich herumkommandiert, doch ich habe sie unterwürfig verehrt und Wochen lang geheult, als sie weggezogen ist. Viel hat sich nicht geändert seit unserer Kindheit, nur dass sie nicht mehr so lautstark herumkommandiert.
Seit sie wieder in mein Leben getreten ist, hat Caro mir eine neue Perspektive im Dasein gegeben. Sie ist inzwischen selbst glücklich mit einem wundervollen Landwirt namens David verheiratet, dessen Ländereien an der Grenze zu den Chiltern-Hügeln liegen. Er ist fünfzehn Jahre älter als Caroline. Gemeinsam kümmern sie sich um seine beiden Kinder aus erster Ehe im Teenageralter, einen Hund, eine Schar Gänse im Garten und die wunderbarste und idyllischste Beziehung, die man sich nur vorstellen kann. Ich habe andere Freunde, die glücklich verheiratet zu sein scheinen, doch Caro und David haben das gewisse Extra.
Sie sind dicke Freunde. Sie foppen, unterhalten und ergänzen sich. Dabei sind sie völlig verschieden. Caro ist extrovertiert, lebhaft, künstlerisch, David solide und verlässlich, doch gleichzeitig einfühlsam und fantasievoll – ein seltenes Exemplar von einem Mann. Sie passen perfekt zueinander. Sie zusammen zu sehen hat gereicht, um mir klar zu machen, dass auch ich mehr will.
Ich will jemanden, der mit mir bis zum Morgengrauen über gemeinsame Leidenschaften redet; jemanden, der für seine Frau und deren Freundin ein umwerfendes Essen zaubert, um dann zu verschwinden, ohne es auch nur gekostet zu haben, damit sie in Ruhe quatschen können; jemanden, der mit mir im Mondschein tanzt.
Als ich das letzte Mal bei Caro und David war, hatten wir eine herrlich milde Sommernacht von der Sorte, wo man um Mitternacht die Decke von sich wirft und bei weit geöffnetem Fenster daliegt. Man genießt einfach die leichte Brise, die sacht über den nackten Körper streicht, und lauscht den gedämpften Geräuschen der Nacht.
Nun, in dieser Nacht wurden die gedämpften Geräusche auf freche, aber erfreuliche Weise von Sarah Vaughan unterbrochen, deren Stimme aus einem alten Grammophon drang. Als ich, angelockt von der Musik, auf nackten Sohlen über die glänzenden Dielen zum Fenster schlich, sah ich sie unten, eng umschlungen, wie sie im Obstgarten tanzten. Durch die offenen Balkontüren fiel das Licht auf sie und hüllte sie ein wie ein Bühnenscheinwerfer.
David streichelte Caro über das goldene Haar, während seine andere Hand freundlich, aber mit Nachdruck auf ihrem Hintern ruhte. Ich konnte hören, wie er ihr zur Musik leise »Misty« ins Ohr sang. Von den Obstbäumen rieselten Blütenblätter wie Konfetti bei einer Hochzeit.
Kitschig? Vielleicht.
Romantisch? Auf jeden Fall.
In diesem
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