Eine dunkle Geschichte (German Edition)
aus.
»Aber du kannst uns doch nicht beide heiraten«, sagte der Marquis. »Und«, fuhr er in dem schroffen Tone eines bis ins Herz getroffenen Mannes fort, »es wird Zeit, sich zu entscheiden!«
Er trieb sein Pferd an, damit die beiden Hauteserres nichts hörten. Seines Bruders und Laurences Pferde ahmten diese Bewegung nach. Als sie einen angemessenen Abstand zwischen sich und den drei anderen hatten, wollte Laurence sprechen, aber zuerst waren die Tränen ihre einzige Sprache.
»Ich will in ein Kloster gehen«, sagte sie schließlich.
»Und du willst die Cinq-Cygnes aussterben lassen?« sagte der jüngere Simeuse. »Und statt einem, der sich in sein Unglück fügt, willst du zwei unglücklich machen! Nein, der, welcher nur dein Bruder sein wird, wird sich darein ergeben. Als wir erfuhren, daß wir nicht so arm sind, wie wir glaubten, haben wir uns auseinandergesetzt«, sagte er mit einem Blick auf den Marquis. »Bin ich der Bevorzugte, so gehört unser ganzes Vermögen meinem Bruder. Bin ich der Unglückliche, so gibt er es mir, ebenso die Titel der Simeuse, denn er wird dann ja ein Cinq-Cygne! Jedenfalls hat der, der nicht glücklich wird, die Möglichkeit, sich standesgemäß zu verheiraten. Fühlt er, daß er vor Kummer stirbt, so wird er im Heere den Tod suchen, um die Ehe nicht zu trüben!«
»Wir sind echte Ritter des Mittelalters, wir sind unserer Väter würdig!« rief der Ältere aus.
»Sprich, Laurence!«
»So kann es nicht weitergehen«, versetzte der Jüngere.
»Glaube nicht, Laurence, daß die Hingebung nicht süß sei«, sprach der Ältere.
»Geliebte Freunde,« entgegnete sie, »ich bin außerstande, mich zu entscheiden. Ich liebe euch beide, als wäret ihr nur ein Wesen, liebe euch, wie eure Mutter euch liebte. Gott wird uns helfen. Ich werde nicht wählen. Wir wollen es dem Zufall anheimgeben. Ich mache nur eine Bedingung.«
»Welche?«
»Daß der, welcher mein Bruder wird, bei mir bleibt, bis ich ihm erlaube, mich zu verlassen. Ich allein will entscheiden, wann eine Trennung angezeigt ist.«
»Ja«, sagten beide Brüder, ohne die Absicht ihrer Base zu verstehen.
»Der erste von euch, den Frau von Hauteserre heute abend nach dem Tischgebet anredet, soll mein Gatte sein. Aber keiner von euch soll eine List gebrauchen und sie zu einer Frage veranlassen.«
»Wir werden ein ehrliches Spiel spielen«, sagte der Jüngere.
Beide Brüder küßten Laurence die Hand. Die Gewißheit einer Lösung, die jeder für günstig halten konnte, stimmte beide Zwillinge äußerst fröhlich.
»Jedenfalls, liebe Laurence,« versetzte der Ältere, »wirst du einen zum Grafen von Cinq-Cygne machen.«
»Und wir spielen darum, wer kein Simeuse bleiben soll«, sagte der Jüngere.
»Ich glaube jetzt, das gnädige Fräulein wird nicht mehr lange ledig bleiben«, sagte Michu hinter den beiden Hauteserres. »Meine Herren sind sehr aufgeräumt. Wenn meine Herrin ihre Wahl trifft, gehe ich nicht fort. Ich will die Hochzeit mitmachen!«
Die beiden Hauteserres gaben keine Antwort. Eine Elster flog plötzlich zwischen den Hauteserres und Michu auf, der wie alle ursprünglichen Menschen abergläubisch war und Totenglocken zu hören glaubte. Der Tag begann also heiter für die Liebenden, die selten Elstern sehen, wenn sie im Walde beisammen sind. Michu erkundete mit seinem Plan in der Hand die Stellen. Jeder Edelmann hatte sich mit einem Spaten versehen, und das Geld wurde gefunden. Der Teil des Waldes, worin es vergraben lag, war einsam, fern von jedem Verkehr und jeder Wohnstätte, und so begegnete die goldbeladene Karawane keinem Menschen. Das war ein Unglück. Als man Cinq-Cygne verließ, um die letzten zweihunderttausend Franken zu holen, schlug man, vom Erfolge kühn gemacht, einen kürzeren Weg ein als bei den ersten Ritten. Dieser Weg führte über eine Anhöhe, von der man den Park von Gondreville sah.
»Feuer!« rief Laurence, als sie eine bläuliche Flammensäule sah.
Das ist irgendein Freudenfeuer«, entgegnete Michu.
Laurence, die die kleinsten Waldpfade kannte, verließ den Trupp, gab ihrem Pferde die Sporen und ritt bis zum Pavillon von Cinq-Cygne, Michus früherer Wohnung. Obwohl der Pavillon verlassen und geschlossen war, stand das Gitter offen und die Hufspuren mehrerer Pferde fielen Laurence auf. Die Rauchsäule erhob sich aus einer Wiese des englischen Parks; wie sie annahm, wurde dort Gras verbrannt.
»Ach, Sie sind auch dabei, Fräulein!« rief Violette, der auf seinem Klepper in vollem
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