Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Galopp aus dem Park kam und vor Laurence halt machte.
»Aber es ist nur ein Karnevalsstreich, nicht wahr? Man wird ihn nicht töten?«
»Wen denn?«
»Ihre Vettern wollen nicht seinen Tod?«
»Wessen Tod?«
»Den des Senators.«
»Du bist toll, Violette!«
»Nun, was machen sie denn da?« fragte er.
Bei dem Gedanken, daß ihren Vettern Gefahr drohte, gab die unerschrockene Reiterin ihrem Pferde die Sporen und erreichte den Schauplatz, als die Säcke gerade gefüllt wurden.
»Vorwärts! Ich weiß nicht, was vorgeht, aber zurück nach Cinq-Cygne!«
Während die Edelleute mit dem Transport des von dem alten Marquis geretteten Vermögens beschäftigt waren, spielte sich auf Schloß Gondreville eine seltsame Szene ab. Um zwei Uhr nachmittags saß der Senator mit seinem Freund Grévin in dem großen Saal im Erdgeschoß vor dem Feuer und spielte Schach. Frau Grévin und Frau Marion plauderten in der Kaminecke auf einem Sofa. Alle Leute des Schlosses waren fortgegangen, um sich einen seltsamen Maskenzug anzusehen, der seit lange im Kreis Arcis angekündigt war. Die Familie des Verwalters, der im Pavillon von Cinq-Cygne an Michus Stelle getreten war, hatte sich gleichfalls dorthin begeben. Der Kammerdiener des Senators und Violette waren allein im Schloß. Der Pförtner, zwei Gärtner und deren Frauen waren auf ihrem Posten; aber ihr Häuschen lag am Eingang der Höfe, am Ende der Allee nach Arcis, und bei dem Abstand zwischen diesem Nebengebäude und dem Schloß konnte man dort selbst einen Gewehrschuß nicht hören. Zudem standen die Leute auf ihrer Schwelle und blickten nach Arcis aus, das nur eine halbe Stunde entfernt liegt, in der Hoffnung, den Maskenzug ankommen zu sehen. Violette wartete in einem großen Vorzimmer auf den Augenblick, da der Senator und Grévin ihn empfangen würden, um über die Verlängerung seiner Pacht zu verhandeln. In diesem Augenblick stürzten fünf maskierte und behandschuhte Männer, die in Wuchs, Benehmen und Haltung den Herren von Hauteserre, von Simeuse und Michu glichen, sich auf den Kammerdiener und Violette, steckten ihnen ein Taschentuch als Knebel in den Mund und banden sie in einer Vorratskammer an Stühle. Trotz der Geschwindigkeit der Angreifer stießen der Kammerdiener und Violette doch einen Schrei aus, der in dem Salon gehört ward. Die beiden Frauen glaubten, es sei ein Warnruf.
»Horch,« sagte Frau Grévin, »da sind Diebe ...«
»Bah, das ist ein Fastnachtsschrei!« versetzte Grévin.
»Wir bekommen die Masken aufs Schloß.«
Diese Erörterung gab den fünf Unbekannten Zeit, die Tore nach dem Ehrenhof zu schließen und den Kammerdiener und Violette einzusperren. Die ziemlich eigensinnige Frau Grévin wollte durchaus die Ursache des Lärms erfahren; sie stand auf und geriet unter die fünf Masken, die sie ebenso behandelten wie Violette und den Kammerdiener. Dann drangen sie gewaltsam in den Salon ein, wo die beiden Stärksten sich des Grafen von Gondreville bemächtigten, ihn knebelten und ihn durch den Park fortschleppten, während die drei anderen Frau Marion und den Notar gleichfalls knebelten und jeden auf einen Lehnstuhl festbanden. Die Ausführung dieses Anschlages nahm nicht mehr als eine halbe Stunde in Anspruch. Die drei Unbekannten, zu denen bald die anderen stießen, die den Senator weggeschleppt hatten, durchsuchten das Schloß vom Keller bis zum Boden, öffneten alle Schränke, ohne einen Dietrich zu gebrauchen, beklopften die Wände und blieben bis fünf Uhr abends die Herren. In diesem Augenblick hatte der Kammerdiener mit seinen Zähnen die Stricke durchgenagt, mit denen Violettes Hände gefesselt waren, und Violette, der sich seines Knebels entledigte, begann um Hilfe zu schreien. Als die fünf Unbekannten diese Schreie hörten, liefen sie in die Gärten, sprangen auf Pferde, die denen von Cinq-Cygne ähnlich sahen, und machten sich davon, aber nicht schnell genug, daß Violette sie nicht sehen konnte. Nachdem er den Kammerdiener losgebunden hatte, der seinerseits die Frauen und den Notar befreite, bestieg Violette seinen Klepper und verfolgte die Missetäter. Als er am Pavillon ankam, war er ebenso verblüfft, die beiden Flügel des Gittertors offen zu finden, wie Fräulein von Cinq-Cygne dort postiert zu sehen.
Als die junge Gräfin verschwunden war, ritt Grevin hinter Violette her, begleitet vom Feldhüter der Gemeinde Gondreville, dem der Pförtner ein Pferd aus den Schloßställen gegeben hatte. Die Pförtnersfrau war nach Arcis gelaufen,
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