Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Friedensrichter in Gemeinschaft mit dem Feldhüter und seinem Schreiber untersucht wurden, zeigte sich keine Spur eines Einbruchs.
»Als wir ihn vor die Tür setzten,« sagte Grévin, »wird er die Doppelschlüssel des Schlosses behalten haben. Aber er muß einen verzweifelten Streich geplant haben, denn er hat binnen zwanzig Tagen seinen Besitz verkauft und vorgestern in meinem Bureau den Kaufpreis erhalten.«
»Sie werden ihm alles auf den Buckel geladen haben!« rief Lechesneau aus, dem dieser Umstand auffiel. »Er hat gezeigt, daß er ihnen mit Leib und Seele ergeben ist.«
Wer konnte auch bessere Ortskenntnis des Schlosses haben als die Herren von Simeuse und von Hauteserre? Keiner der Angreifer hatte sich bei seinem Suchen geirrt; die Sicherheit, mit der sie überall hingegangen waren, bewies, daß sie wohl wußten, was sie wollten, und vor allem, wo man ihn erwischen konnte. Keiner der offen gebliebenen Schränke war erbrochen, somit besaßen die Delinquenten die Schlüssel, und seltsam, sie hatten sich nicht die geringste Entwendung erlaubt! Um Diebstahl also handelte es sich nicht. Schließlich hatte Violette, nachdem er die Pferde des Schlosses Cinq-Cygne erkannt hatte, die Gräfin im Hinterhalt vor dem Pavillon des Verwalters getroffen. Aus der Gesamtheit dieser Tatsachen und Aussagen ergab sich auch für eine ganz unvoreingegenommene Justiz die Schuld der Herren von Simeuse, von Hauteserre und Michus; für einen Direktor der Jury mußte sie zur Gewißheit werden. Was hatten sie nun mit dem künftigen Grafen von Gondreville vor? Ihn zur Herausgabe seines Landgutes zu zwingen, für dessen Erwerb der Verwalter schon 1793 die Kapitalien zu haben behauptete? Hier bekam alles ein neues Antlitz.
Der gelehrte Kriminalist fragte sich, was das Ziel der eifrigen Nachforschungen im Schlosse gewesen sein mochte. Hätte es sich um eine Rache gehandelt, so hätten die Delinquenten Malin töten können. Vielleicht war der Senator dann schon tot und begraben. Immerhin bedeutete die Entführung eine Freiheitsberaubung. Warum diese Freiheitsberaubung, nachdem die Durchsuchung des Schlosses beendet war? Gewiß war es Wahnsinn zu glauben, die Entführung eines Würdenträgers des Kaiserreiches könnte lange geheim bleiben! Die rasche Entdeckung, die dieser Anschlag finden mußte, hob seinen Vorteil auf.
Auf diese Einwendungen erwiderte Pigault, daß die Justiz nie alle Beweggründe der Verbrecher erraten könne. In allen Strafprozessen gäbe es zwischen Richter und Verbrecher und umgekehrt dunkle Punkte; das Gewissen habe Abgründe, in die nur durch das Geständnis des Schuldigen Licht käme.
Grévin und Lechesneau nickten zustimmend, ohne jedoch den Blick von dem Dunkel abzuwenden, in das sie hineinleuchten wollten.
»Und doch hat der Kaiser sie begnadigt«, sagte Pigault zu Grévin und Frau Marion. »Er hat sie von der Liste gestrichen, obwohl sie an der letzten Verschwörung gegen ihn beteiligt waren!«
Lechesneau schickte unverzüglich seine ganze Gendarmerie nach dem Wald und dem Tal von Cinq-Cygne, wobei er Giguet dem Friedensrichter mitgab, der nach dem Ausdruck des Gesetzbuches zu seinem Hilfsoffizier der Kriminalpolizei wurde. Er beauftragte ihn, in der Gemeinde Cinq-Cygne die Grundlagen der Untersuchung zu sammeln, nach Bedarf alle Verhöre vorzunehmen, und zu größerer Beschleunigung diktierte er rasch und unterschrieb den Verhaftsbefehl gegen Michu, der offenbar schwer belastet war.
Nach dem Aufbruch der Gendarmen und des Friedensrichters machte Lechesneau sich an die wichtige Aufgabe, die Verhaftsbefehle gegen die Simeuses und die Hauteserres zu erlassen. Nach dem Gesetz mußten diese Erlasse alles aufführen, was den Delinquenten zur Last gelegt wurde. Giguet und der Friedensrichter begaben sich so schnell nach Cinq-Cygne, daß sie die Leute des Schlosses bei ihrer Rückkehr von Troyes trafen. Die wurden verhaftet und zum Bürgermeister geführt, wo sie verhört wurden. Ein jeder sagte ganz naiv, ohne die Bedeutung seiner Antwort zu kennen, sie hätten tags zuvor die Erlaubnis erhalten, für einen ganzen Tag nach Troyes zu gehen. Auf eine Zwischenfrage des Friedensrichters antwortete jeder ebenso, das gnädige Fräulein hätte ihnen diese unbeabsichtigte Zerstreuung selbst angeboten. Diese Aussagen erschienen dem Friedensrichter so belastend, daß er den Ägyptenkämpfer nach Gondreville schickte, um Herrn Lechesneau zu bitten, selbst zur Verhaftung der Edelleute nach Cinq-Cygne zu kommen, um
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