Eine dunkle Geschichte (German Edition)
und des Gesetzes verhafte ich Sie«, sagte der Friedensrichter.
Nun zeigten sich die drei Gendarmen, die Gotthard herbeiführten. Beim Anblick der betreßten Hüte tauschten Martha und ihre Mutter einen entsetzten Blick.
»Ach was! Und warum?« fragte Michu, setzte sich an seinen Tisch und sagte zu seiner Frau: »Gib auf, ich bin halb verhungert.«
»Das wissen Sie so gut wie ich«, antwortete der Friedensrichter. Er winkte seinem Schreiber, das Protokoll zu beginnen, nachdem er dem Pächter den Verhaftungsbefehl gezeigt hatte.
»Na, du spielst den Erstaunten, Gotthard? Willst du essen, ja oder nein?« fragte Michu. »Laß die nur ihr dummes Zeug schreiben.«
»Sie erkennen den Zustand Ihrer Kleider an?« fragte der Friedensrichter. »Ebenso wenig leugnen Sie die Worte, die Sie auf Ihrem Hofe zu Gotthard sagten?«
Michu ließ sich von seiner Frau, die ob seiner Kaltblütigkeit starr war, die Suppe auftragen und aß heißhungrig, ohne eine Antwort zu geben. Sein Mund war voll und sein Herz unschuldig. Gotthards Eßlust war durch furchtbare Angst gelähmt. »Nun,« sagte der Feldhüter Michu ins Ohr, »was haben Sie mit dem Senator gemacht? Wenn man die Leute von der Justiz hört, geht es für Sie um Leben und Tod.«
»O mein Gott!« rief Martha aus, die die letzten Worte auffing und wie vom Blitz getroffen hinsank.
»Violette wird uns irgendeinen schlimmen Streich gespielt haben!« rief Michu aus, denn ihm fielen Laurences Worte ein.
»Ah, Sie wissen also, daß Violette Sie gesehen hat!« sagte der Friedensrichter.
Michu biß sich auf die Lippen und beschloß, nichts mehr zu sagen. Gotthard ahmte seine Zurückhaltung nach. Als der Friedensrichter sah, daß seine Bemühungen, Michu zum Reden zu bringen, umsonst waren, und da er überdies seine sogenannte Schlechtigkeit kannte, befahl er, ihm wie Gotthard die Hände zu fesseln und ihn nach dem Schloß Cinq-Cygne zu bringen. Er selbst lenkte seine Schritte gleichfalls dorthin, um wieder zu dem Direktor der Jury zu stoßen.
Die Edelleute und Laurence waren zu hungrig, und das Mahl war zu bedeutungsvoll für sie, als daß sie es noch hinausgeschoben hätten, um sich umzukleiden. Laurence erschien im Reitkleid, die Herren in weißen Lederhosen, Reitstiefeln und grüner Tuchjacke, in dem Salon, wo sie Herrn und Frau von Hauteserre ziemlich besorgt fanden. Der Biedermann hatte das Kommen und Gehen bemerkt, vor allem auch das Mißtrauen, das man ihm bezeigte, denn Laurence hatte ihn nicht von den Leuten beaufsichtigen lassen können. In dem Augenblick also, da einer seiner Söhne einer Antwort auswich, indem er fortging, hatte er zu seiner Frau gesagt:
»Ich fürchte, Laurence macht uns wieder Scherereien!«
»Was habt Ihr denn heute gejagt?« fragte Frau von Hauteserre Laurence.
»Ach, du wirst eines Tages schon erfahren, an welchem schlimmen Streich Eure Kinder teilgenommen haben!« antwortete sie lachend.
Obwohl im Scherz gesprochen, ließen diese Worte die alte Dame erzittern. Katharina meldete, daß angerichtet sei. Laurence gab Herrn von Hauteserre den Arm und lächelte über die Bosheit, die sie ihren Vettern antat, indem sie einen von ihnen zwang, seinen Arm der alten Dame zu bieten, die nach ihrer Vereinbarung zum Orakel geworden war. Der Marquis von Simeuse führte Frau von Hauteserre zu Tisch. Die Situation ward nun so feierlich, daß Laurence und ihre beiden Vettern, als das Tischgebet gesprochen war, heftiges Herzklopfen verspürten. Der Frau von Hauteserre, die die Suppe aufgab, fiel die Angst auf, die sich in den Gesichtern der beiden Simeuses malte, und die Erregung, die Laurences Lammsgesicht verriet.
»Aber es ist irgend etwas Außergewöhnliches geschehen!« rief sie aus, indem sie alle anblickte.
»Mit wem sprichst du?« fragte Laurence.
»Mit Euch allen«, entgegnete die alte Dame.
»Was mich betrifft, Mutter,« sagte Robert, »ich habe Wolfshunger.«
Frau von Hauteserre, noch immer verwirrt, reichte dem Marquis von Simeuse einen Teller für den Jüngeren.
»Ich bin wie Eure Mutter,« sagte sie zu ihm, »ich irre mich stets, trotz Eurer Halsbinden. Ich glaubte, deinem Bruder den Teller zu reichen.«
»Du reichst ihm mehr, als du denkst«, sagte der Jüngere und erbleichte. »Nun ist er Graf von Cinq-Cygne.«
Der arme, so fröhliche Jüngling ward für immer, traurig. Aber er fand noch die Kraft, Laurence lächelnd anzublicken und seinen tödlichen Schmerz zu bemeistern. In einem Augenblick versank der Liebende im Bruder.
»Wie! die
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