Eine dunkle Geschichte (German Edition)
nach dem Bericht des Grafen von Gondreville Leute ausschickte, um Martha bei den Durieus aus dem Bette zu holen, während der Vorsitzende einen Verhaftsbefehl gegen sie begründete und erließ. Ebenso ward Fräulein von Cinq-Cygne, die nur gegen Bürgschaft in Freiheit war, aus einem jener seltenen Augenblicke des Schlummers gerissen, die sie inmitten ihrer beständigen Ängste fand, und auf der Präfektur belassen, um sie dort zu vernehmen. Der Gefängnisdirektor erhielt Befehl, die Angeklagten von jedem möglichen Verkehr abzuschließen, selbst von dem mit den Verteidigern. Um zehn Uhr erfuhr die versammelte Menge, daß die Sitzung auf ein Uhr mittags verschoben sei.
Diese Verlegung, die mit der Nachricht von der Befreiung des Senators zusammentraf, die Verhaftung Marthas und Fräuleins von Cinq-Cygne sowie das Verbot des Verkehrs mit den Angeklagten trug Schrecken in das Haus Chargeboeuf. Die ganze Stadt und die Neugierigen, die zu dem Prozeß nach Troyes gekommen waren, die Stenographen der Zeitungen, selbst das Volk, waren in einer leicht begreiflichen Aufregung. Gegen zehn Uhr kam der Abbé Goujet, um Herrn und Frau von Hauteserre und die Verteidiger aufzusuchen. Man frühstückte eben, so weit man unter solchen Umständen frühstücken kann. Der Pfarrer nahm Bordin und Herrn von Granville beiseite und teilte ihnen Marthas Anvertrauung sowie das Bruchstück des Briefes mit, den sie erhalten hatte. Die beiden Verteidiger wechselten einen Blick; dann sagte Bordin zu dem Pfarrer: »Kein Wort! Alles scheint uns verloren. Bewahren wir wenigstens die Haltung!«
Martha war nicht stark genug, um dem Direktor der Jury und dem öffentlichen Ankläger zugleich zu widerstehen. Übrigens häuften sich die Beweise gegen sie. Nach der Angabe des Senators hatte Lechesneau die untere Kruste des letzten von Martha gebrachten Brotes holen lassen, die er im Keller gelassen hatte, ebenso die leeren Flaschen und mehrere Gegenstände. Während der langen Stunden seiner Gefangenschaft hatte Malin Vermutungen über seine Lage angestellt und nach Indizien gesucht, die ihn auf die Spur seiner Feinde bringen konnten; naturgemäß teilte er seine Beobachtungen dem Richter mit. Michus kürzlich erbauter Pachthof mußte einen neuen Backofen haben; die Ziegeln und Backsteine, auf denen das Brot ruhte, mußten irgendein Netz von Fugen haben, und wenn man einen Abdruck dieser Ofenfläche nahm und das Muster auf der Kruste wiederkehrte, war der Beweis geliefert, daß das Brot in diesem Ofen gebacken war. Ferner waren die mit grünem Lack versiegelten Flaschen zweifellos denen gleich, die sich in Michus Keller befanden. Diese scharfsinnigen Bemerkungen teilte er dem Friedensrichter mit, der die Untersuchung in Marthas Gegenwart vornahm, und das Ergebnis war, wie es der Senator vorhergesehen hatte. Zudem fiel Martha auf die scheinbare Gutmütigkeit Lechesneaus, des öffentlichen Anklägers und des Regierungskommissars herein, die ihr klar machten, daß nur ein völliges Geständnis ihrem Manne das Leben retten könne, und so gestand sie, von diesen handgreiflichen Beweisen niedergeschmettert, daß das Versteck, in das der Senator gebracht worden war, nur Michu, den Herren von Simeuse und von Hauteserre bekannt sei und daß sie dem Senator dreimal des Nachts Lebensmittel gebracht hatte. Als Laurence über das Versteck verhört wurde, mußte sie zugeben, daß Michu es entdeckt und es ihr vor dem Ereignis gezeigt hätte, um dort die Edelleute vor den Nachstellungen der Polizei zu entziehen.
Sobald diese Verhöre beendet waren, wurden die Geschworenen und die Advokaten von der Wiederaufnahme der Verhandlung in Kenntnis gesetzt. Um drei Uhr eröffnete der Präsident die Sitzung mit der Mitteilung, daß die Verhandlung auf neuen Grundlagen fortgesetzt würde. Er zeigte Michu drei Weinflaschen und fragte ihn, ob er sie als die seinen anerkenne. Er wies ihn darauf hin, daß der Lack an zwei leeren Flaschen der gleiche sei wie der an einer vollen, die der Friedensrichter am Morgen in Gegenwart seiner Frau aus dem Pachthof geholt hätte. Michu wollte sie nicht als die seinen anerkennen, aber diese neuen Beweisstücke wurden von den Geschworenen gewürdigt, als der Präsident ihnen erklärte, daß die leeren Flaschen soeben an dem Orte gefunden worden seien, wo der Senator gefangen gehalten worden war. Jeder Angeklagte wurde über den Keller unter den Ruinen des Klosters vernommen. In der Verhandlung wurde nach erneuter Vernehmung aller Belastungs- und
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