Eine dunkle Geschichte (German Edition)
nach dem Urbild des Porträts von Robert Lefebvre gefragt, das seit dem Tode des Verwalters den düsteren Hauptschmuck ihres Salons bildet. Laurences Gesichtsausdruck hat die Reife spät gediehener Früchte. Eine Art religiösen Stolzes ziert heute ihre vielgeprüfte Stirn. Zu der Zeit, da die Marquise ein Haus zu machen begann, belief sich ihr Vermögen, durch das Entschädigungsgesetz vermehrt, auf zweihunderttausend Franken Einkommen, Laurence hatte die von den Simeuses hinterlassenen achthunderttausend Franken geerbt. Seitdem gab sie jährlich hunderttausend Franken aus und legte den Rest als Mitgift für Bertha zurück.
Bertha ist das lebende Ebenbild ihrer Mutter, aber ohne kriegerische Keckheit; sie ist fein und geistvoll wie ihre Mutter, aber »mehr Frau«, wie diese schwermütig sagt. Die Marquise wollte ihre Tochter nicht vor dem zwanzigsten Jahre verheiraten. Die Ersparnisse der Familie, die der alte Hauteserre weise verwaltete und die er 1830 in Staatspapieren anlegte, als diese fielen, bildeten eine Mitgift von etwa achtzigtausend Franken Einkommen, als Bertha 1833 zwanzigjährig wurde.
Damals hatte die Prinzessin von Cadignan, die ihren Sohn, den Herzog von Maufrigneuse, verheiraten wollte, seit ein paar Monaten eine Freundschaft zwischen ihm und der Marquise von Cinq-Cygne angeknüpft. Georges von Maufrigneuse speiste dreimal wöchentlich bei der Marquise von Cinq-Cygne, begleitete Mutter und Tochter ins italienische Theater und ritt im Bois neben ihrem Wagen, wenn sie spazierenfuhren. Seitdem war es für die Gesellschaft des Faubourg Saint-Germain offenbar, daß Georges Bertha liebte. Nur konnte niemand wissen, ob Frau von Cinq-Cygne den Wunsch hegte, ihre Tochter zur Herzogin zu machen, in Erwartung des Tages, wo sie Prinzessin wurde, oder ob die Prinzessin für ihren Sohn eine so schöne Mitgift wünschte, ob die berühmte Diana dem Provinzadel entgegen kam, oder ob der Provinzadel sich vor der Berühmtheit der Frau von Cadignan, ihren Neigungen und ihrem verschwenderischen Leben fürchtete. Indem Wunsche, ihrem Sohne nicht zu schaden, hatte die Prinzessin, die fromm geworden war, ihr Leben in ihre vier Wände eingeschlossen und verbrachte die schöne Jahreszeit in einer Villa in Genf.
Eines Abends hatte die Prinzessin von Cadignan die Marquise d'Espard und den Präsidenten des Staatsrates, de Marsay, bei sich. Sie sah den ehemaligen Liebhaber an jenem Abend zum letzten Male, denn er starb im folgenden Jahre, Rastignac, der Unterstaatssekretär in Marsays Ministerium war, zwei Gesandte, zwei berühmte Redner, die der Pairskammer verblieben waren, die alten Herzöge von Lenoncourt und von Navarreins, Graf von Vandenesse und seine junge Gattin sowie d'Arthez fanden sich dort zusammen und bildeten einen ziemlich wunderlichen Kreis, dessen Zusammensetzung leicht erklärlich ist: galt es doch, vom Premierminister einen Passierschein für den Prinzen von Cadignan zu erhalten. De Marsay, der diese Verantwortung nicht auf sich nehmen wollte, kam, um der Prinzessin zu sagen, daß die Sache in guten Händen wäre. Ein alter Politiker sollte ihr während des Abends die Lösung bringen. Die Marquise und Fräulein von Cinq-Cygne wurden gemeldet. Laurence, deren Grundsätze unbeugsam waren, war nicht erstaunt, sondern empört, als sie die erlauchtesten Vertreter der Legimität in beiden Kammern mit dem Premierminister des Mannes plaudern sah, den sie stets nur den Herrn Herzog von Orleans nannte. Sie hörten ihm zu und lachten mit ihm. De Marsay strahlte wie erlöschende Lampen im letzten Glänze. Hier vergaß er die politischen Sorgen gern. Die Marquise von Cinq-Cygne ließ de Marsay gelten, ganz wie man sagt, daß der österreichische Hof damals Herrn von Saint-Aulaire gelten ließ: der Weltmann setzte über den Minister hinweg. Aber sie fuhr hoch, als wäre der Lehnstuhl von glühendem Eisen gewesen, als der Herr Graf von Gondreville gemeldet wurde.
»Leben Sie wohl, Gnädigste«, sagte sie trocknen Tones zu der Prinzessin.
Sie ging mit Bertha fort und berechnete die Richtung ihrer Schritte, um diesem verhängnisvollen Menschen nicht zu begegnen.
»Sie haben vielleicht Georges' Heirat zum Scheitern gebracht«, sagte die Prinzessin leise zu de Marsay.
Der frühere Schreiber aus Arcis, der frühere Volksvertreter, Thermidormann, Tribun und Staatsrat, der frühere Graf des Kaiserreichs und Senator, der frühere Pair von Frankreich unter Ludwig XVIII. und neue Pair der Julimonarchie, machte der Prinzessin
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