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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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auferstanden.
    Über und über mit Schlamm bedeckt.
    Auf ihren Hintern in einer tiefen Pfütze aus dreckigem Wasser sitzend, begannen sie zu lachen. Sie warfen die Arme umeinander und lachten, bis ihnen Tränen aus den Augen rannen. Sie saßen da, frierend, schlammig, pitschnass. Das Schloss ihrer Eltern war nur ein paar Kilometer entfernt. Sie umarmten sich, bis ihre Arme wehtaten.
    »Wo warst du?«, fragte Hänsel, als sie sich gegenseitig aus der Pfütze zogen.
    »Wie kann es sein, dass du lebst?«, fragte Gretel im selben Moment.
    Sie kletterten auf einen der Ochsenwagen und erzählten sich gegenseitig alles, was seit der Jagd im Lebenswald geschehen war, und manches erzählten sie sich sogar doppelt.
    Und als sie so redeten und lachten und nach Luft rangen, zogen Ivy und Betty sie nach Hause.
    Hänsel und Gretel müssen jetzt die härteste aller Prüfungen bestehen.
    Sie wurden beinahe von einer kannibalischen Bäckersfrau gegessen; sie hatten mit der glühenden Sonne, dem kinderfressenden Mond und den freundlichen Sternen gesprochen. Sie waren zum Kristallberg gereist. Gretel hatte sich einen ihrer Finger abgeschnitten und dafür gesorgt, dass jemand bei lebendigem Leib in kochendes Öl geworfen wurde. Hänsel war zu einem wilden Tier geworden, war erschossen, gehäutet und schließlich verspielt worden. Er war in der Hölle gewesen und hatte sich als des Teufels Großmutter verkleidet. Er war vom Teufel selbst verfolgt worden und hatte die Hand eines sterbenden alten Mannes gehalten.
    Es stimmt, sie hatten all diese Dinge erlebt.
    Aber manchmal ist es das Allerschwerste, nach Hause zurückzukehren.
    Schon bald befanden sich Hänsel und Gretel mitten im Königreich Grimm. Sie fuhren durch ihnen bekannte Städte. Und als sie sich umsahen, wurde ihnen ganz übel.
    Einige der Städte sahen noch so aus, wie sie sie in Erinnerung hatten. Aber andere waren vollkommen zerstört. Verwüstete Häuser mit eingefallenen Dächern und umgestürzten Wänden säumten den Weg. Sie kamen an ausgebrannten Geschäften vorbei, tote Tiere lagen mit aufgeblähten Bäuchen am Straßenrand und Fliegen liefen über ihre aufgerissenen Augen.
    »Der Drache«, murmelte Gretel.
    Hänsel nickte und starrte ins Leere.
    Als sie durch eine der ausgebrannten Städte kamen, öffnete sich quietschend die Tür einer der Ruinen. Hänsel drückte sich ganz eng an Gretel. Sie nahm seine Hand. Dann erschien in der Dunkelheit ein Kopf.
    Es war ein Kind – so klein wie das Kind, das Gretel in der Gaststube gesehen hatte. Hinter ihm lugte der Kopf eines älteren Mädchens hervor und dann der Kopf eines noch ein bisschen älteren Mädchens.
    »Kommt mit nach draußen«, sagte die Älteste über die Schulter. »Seht her.«
    Hinter ihnen kamen ihre Eltern hervor. Die ganze Familie war dreckig, halb verhungert, mit zerfetzter Kleidung und ängstlichen Augen.
    Gretel sagte: »Das ist nicht gut.«
    »Nein«, sagte Hänsel. »Das ist es nicht.«
    Plötzlich sprang Gretel von dem Wagen hinunter. »Ich gebe ihnen einen Apfel«, rief sie Hänsel zu.
    Die Familie hörte das, und die Mutter, der Vater und die drei Kinder gingen zu dem Wagen.
    »Ihr habt Äpfel?«, fragte der Vater.
    »Nicht die Sorte, die man essen kann«, antwortete Gretel. »Aber vielleicht helfen sie euch.« Sie griff unter die Wagenplane, nahm einen Apfel und gab ihn dem Mann.
    »Er ist golden!«, riefen die Kinder und ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen. Die Größte, die ein paar Jahre älter war als Gretel, sah sie gebannt an.
    »Sie sieht wie die Prinzessin aus«, sagte sie.
    Die Familie hörte auf, den Apfel zu bewundern, und sah Gretel an. »Stimmt ...«, sagte der Vater. Und dann fügte er zögernd hinzu: »Eure Hoheit?« Gretel wurde rot.
    Die Älteste war um den Wagen herumgerannt und rief: »Und hier ist der Prinz!«
    Den Rest der Fahrt rannte die Familie vor dem Wagen her und jubelte und schrie, dass alle es hören konnten. »Der Prinz und die Prinzessin sind zurück! Der Prinz und die Prinzessin sind zurück!«
    Langsam kamen mehr und mehr Leute aus ihren Häusern. Anfangs zögerlich und voller Angst. Aber als sie die beiden Kinder auf dem Ochsenkarren und die jubelnde Familie sahen, entspannten sich ihre Mienen und sie kamen heraus in die wärmende Sonne und folgten den Wagen.
    Schon bald rannten an die tausend Menschen hinter Hänsel und Gretel her und es wurden immer mehr.
    Die beiden betrachteten die jubelnden, schreienden, lachenden Menschen. Noch nie hatten sie sich so

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