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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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ruhig und heiter sein.
    Bleibe gesund, ich küsse Dich, Sascha, Julia Iwanowna und Vera, grüße Duschan Petrowitsch 46 .
    Deine Sonja.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [16. Januar 1905]
    [Jasnaja Poljana]
    Bei uns ist alles bestens, liebe Sonja. [...] Ich bin wohlauf, doch ich fühle mich sehr alt, was mich jedoch, obgleich Awd[otja] Wass[iljewna 47 ] gegenteiliger Meinung ist, nicht betrübt. Gesternerhielt ich einen Brief Deines Verehrers Bourdon 48 , er kommt wieder nach Rußland. Es herrscht starkes Schneetreiben, trotzdem habe ich meine beiden täglichen Spaziergänge unweit des Hauses unternommen. Erfreust Du Dich an der Musik? Folgendes dachte ich vor ein paar Tagen über die Musik: Musik ist Stenographie der Gefühle. Beim Sprechen erheben und senken wir die Stimme und drücken durch Lautstärke, Schnelligkeit oder Langsamkeit jene Gefühle aus, die das, was wir erzählen, begleiten, die in den Worten formulierten Gedanken, Bilder, Ereignisse. Die Musik indes gibt diese einander abwechselnden Gefühle ohne Worte, Bilder und Schilderung von Ereignissen wider. – Dies wird mir deutlich aus jenem, was ich empfinde, wenn ich Musik höre. Schreibe doch, lebe wohl. Ich küsse Dich und unsere Söhne.
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    19. Januar 1905
    [Moskau]
    Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut, lieber Ljowotschka. [...] Serjosha und mir gefiel Deine Deutung der Musik als Stenographie der Gefühle. Leider wird es die ganze Woche über keine Musik für mich geben, nur die Oper mit Schaljapin am Freitag will ich besuchen.
    Pawel Iwanowitsch [Birjukow] und ich sind täglich im Museum, er von 11 bis 3, ich ab 12, da ich an den Vormittagen von allen Seiten bedrängt werde und Geschäfte erledigen muß. Mittlerweile aber ist fast alles getan. Im Museum herrscht große Unordnung, drei der Kisten sind derart trocken, daß bei einer gar der Boden herausgefallen ist. Deshalb mußten die Manuskripte in einen Schrank gelegt und die Kisten zur Reparatur gegeben werden. Ich werde einen Schrank bestellen, in dem die Kisten aufbewahrt werden können.
    In Moskau finden allerorten Zusammenkünfte, Aufläufe und Diskussionen statt. Morgen beginnen die Wahlen der Adelsversammlung. [...]
    Am Abend hatte ich viel Besuch, und wieder sprachen wir über die Lage in Rußland. Bis 2 Uhr in der Nacht saßen wir zusammen, jetzt ist es bereits drei.
    Morgen früh will ich die Tretjakow-Galerie besuchen, danach gehe ich wieder ins Museum. Ich esse zu Hause, für den Abend erwarte ich einen Violinisten, der mit mir musizieren wird. [...] Du beklagst das Alter, auch ich fühle in den letzten Tagen, daß ich alt werde. Und im Gegensatz zu Dir stimme ich mit Dunjascha überein (was alt ist, kann nicht gut sein). – Wie geht es Euch allen? Hat das Schneetreiben auch niemandem ein Unglück zugefügt? Ich hoffe, Du gibst auf Dich acht. Ich küsse Dich, übermittle allen meinen Gruß.
    Deine Sonja T.

1906
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    14. Mai 1906
    Moskau
    Vom Friedhof zurück, wo ich die Gräber meiner Kinder besucht habe, sitze ich nun allein hier im Haus, und plötzlich wurde mir traurig zumute, bin um Euch alle besorgt, denn ich habe noch keine Nachricht von Euch erhalten. [...]
    Vom Friedhof fuhr ich zum Bezirksvorsteher, um ihn zu bitten, ein wenig für Ordnung unter der Bevölkerung dort zu sorgen, denn Wanetschkas Grabstein wurde schon wieder mit Steinen beworfen. Er erwies sich als sehr liebenswürdiger, kluger, älterer Herr (unter den Bezirksvorstehern gibt es tatsächlich doch auch gute Menschen), und er erzählte mir, daß für den heutigen Tag große Ausschreitungen erwartet werden. Die Truppenwurden aus ihren Kasernen beordert und alle Schutzmänner und Hauswarte mit Waffen ausgerüstet; Gendarmen patrouillieren zu viert. [...] Das alles ist sehr beunruhigend, eine Revolution liegt in der Luft. Niemand setzt irgendwelche Hoffnungen auf die Duma 49 . [...] Auch der Kutscher, der mich fuhr, glaubt nicht an sie, er sagte: »Man wird sie auseinanderjagen und nicht erlauben, daß das Land den Bauern übergeben wird.« Jeder hat seine eigenen Ansichten, doch alle sind überzeugt, daß die Duma aufgelöst wird.
    Gestern aßen wir im »Metropol«, Konstantin Alexandrowitsch Ratschinski, der große und der kleine Serjosha 50 , Miss Gensh und ich. Dann begleitete mich mein Enkel bis nach Hause, besichtigte unser Heim und sagte immerzu: »Ach, wie

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