Eine ehrbare Familie
halten.»
«Das war zu einem Schweizer Geschäftsmann gesagt.»
«Tun Sie so, als sprächen Sie mit einem Schweizer Geschäftsmann.» James bekam plötzlich Angst, als erkenne er erst jetzt, welches Risiko er eingegangen war. Ein paar Worte mit einem Mann, der gerade von der Front zurückkehrte, waren als Vertrauensbasis nicht genug.
«Und selbst wenn ich es täte, was würde Ihnen das helfen? Die Ärzte haben mich fürs Militär für untauglich erklärt, und so überfliege ich Briefe von Frontsoldaten, um mich zu vergewissern, daß sie keine Indiskretionen begehen.» Er lächelte entschuldigend. «Sie mögen der Wahrheit jedoch nahekommen, wenn sie schreiben, der Krieg sei die reinste Hölle.»
«Es gibt zwei Dinge.» James blieb jetzt nichts anderes übrig, als mit offenen Karten zu spielen. «Erstens möchte ich wirklich etwas fürs Vaterland tun, sonst halten die Leute mich für einen Feigling, einen Drückeberger.»
«Und zweitens?»
«Ich suche nach einer Engländerin.»
«Ach, mein lieber Mann, das tun wir alle. Obwohl eine Französin auch mal eine ganz nette Abwechslung wäre.»
James ging auf die Bemerkung ein. «Man könnte sie fast als Französin bezeichnen. Ihr verheirateter Name war oder ist Marie Grenot.»
«Und sie ist in Berlin?»
«Ich weiß nicht. Sie verließ Paris einen Tag vor der Kriegserklärung mit einem deutschen Offizier namens Klaus von Hirsch.»
«Dann könnte sie jetzt Frau von Hirsch sein oder Gräfin Hirsch. Ich nehme an, Sie sprechen von dem Sohn des alten Grafen Hirsch? Derjenige, der so lange an der deutschen Botschaft in Paris war?»
James nickte.
«Und Sie wollen Ihrem Vaterland dadurch dienen, daß Sie diese Dame finden?»
«Sie ist Engländerin. Eine entfernte Verwandte.»
Sterkel lächelte erheitert. «So wie unsere Kaiserin und die englische Königin Mary?»
«Ja.»
«Es gibt eine Anzahl englischer, französischer sogar belgischer Damen, die mit deutschen Offizieren verheiratet sind. Es gibt sogar einige, die nicht verheiratet sind, aber in großem Stil leben. Ich werde sehen, was ich für Sie in dieser Richtung tun kann. Gleichzeitig werde ich mich erkundigen, ob jemand Sie gebrauchen kann.» James hatte ihm von seinen aeronautischen Kenntnissen erzählt. «Wo kann ich Sie erreichen?»
James sagte, es sei besser, er würde sich wieder mit dem Major in Verbindung setzen.
«Ach ja? Ich habe eine Büro- und eine Privatnummer. Aber ich halte es für besser, wenn Sie sich irgendeinen Phantasienamen zulegen. Sagen wir Baron Hellinger. Wenn ich Neuigkeiten habe, werde ich es Ihnen mitteilen. Die Einzelheiten werden in einem Brief stehen, adressiert an Baron Hellinger, postlagernd beim Postamt Alexanderplatz. Sagt Ihnen das zu?»
«Für den Moment ja. Aber ich hoffe, Sie bald wiederzusehen.»
Der Major lachte, dann wurde er plötzlich ernst, beugte sich vor und flüsterte: «Unsere Armee will eine grauenvolle Waffe einsetzen, vermutlich im Ypern-Gebiet im Frühjahr. Es ist ein Versuch durchzubrechen, um die Häfen am Kanal anzugreifen. Merken Sie sich Cl 2 und COCl 2 .»
Herr Franke zahlte am Spätnachmittag seine Hotelrechnung, dann fuhr er in die Bayreutherstraße in der Nähe vom Zoo. Im zweiten Stock eines Etagenhauses fand er Frau Dimpling, eine Dame, die, wie man ihm gesagt hatte, aus Eastbourne stamme. Sie hatte 1909 Herrn Dimpling geheiratet, einen jungen deutschen Ingenieur. Briefe von ihr waren vom Foreign Office an C weitergeleitet worden.
Bevor James das Hotel Minerva verlassen hatte, war er noch aufs Postamt gegangen und hatte ein Telegramm abgeschickt. Es betraf eine Lieferung von Uhren und Uhrwerken und eine Bitte um Angabe von Seriennummern. Die Nachricht war von einem Herrn Helmut Gatti unterzeichnet, die Adresse für die Rückantwort lautete: postlagernd, Postamt Zoo.
Dieses inzwischen dechiffrierte Telegramm war auf Caspar Railtons Schreibtisch gelandet.
Sie hatte auffallende rote Haare und sah aus, als sei sie krank gewesen, denn ihr Gesicht über dem eleganten blauen Kleid war blaß. Sie sprach Deutsch mit starkem englischem Akzent. Später erzählte sie, sie sei Lehrerin gewesen.
«Frau Dimpling, ich muß mit Ihnen sprechen», sagte James auf deutsch an der Haustür.
«Ist es wegen Wolfgang?» fragte sie ängstlich.
In der Wohnung dann und nachdem sie sich vergewissert hatte, daß sie allein waren, verfiel er ins Englische. «Ich will offen zu Ihnen sein. In London hat man mir gesagt, ich könnte Ihnen vertrauen. Ich komme direkt aus
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