Eine ehrbare Familie
«Sicherheitshäusern», die sie dringend brauchten, umzusehen.
Sie hatten zwölf Wohnungen besichtigt und drei davon gekauft. Eine von denen, die sie abgelehnt hatten, lag im zweiten Stock eines großen Hauses in Hans Crescent. Sie war voll möbliert, nicht zu teuer und sofort beziehbar. Die Besitzer, die im Parterre wohnten, würden sich an ihn erinnern und wissen, daß er im Staatsdienst war.
Sie aßen eine einfache Mahlzeit, dann nahm Charles Madeline mit in die Hans Crescent und zahlte einen Monat im voraus. Er unterstrich den offiziellen Charakter des Mietvertrags und erwähnte den Geheimhaltungserlaß. Der Besitzer, ein pensionierter Major, war voller Verständnis.
«Es ist nur für kurze Zeit», sagte Charles zu Madeline.
«Das werden wir sehen, Charles. Aber zuerst nimm mich ins Bett, bevor ich vergehe.»
Was er auch tat. Die Erleichterung war so groß, daß er seine Verpflichtung, ihre Ankunft zu melden, in einen fernen Winkel seines Gehirns verbannte. Das hätte er nicht tun sollen, denn schon jetzt hatte er gegen alle offiziellen Regeln verstoßen. Korrekterweise hätte er Madeline an einen sicheren Ort bringen und Kell sofort anrufen müssen. Von nun an war jede Minute gestohlene Zeit. Charles’ Verhalten war nicht nur töricht, sondern auch äußerst gefährlich. Doch ein Mann, der sich von seiner Begierde leiten läßt, verliert leicht sein Verantwortungsgefühl.
Er bat Madeline, nicht auszugehen, und besuchte sie am nächsten Abend wieder, entschlossen, die Wahrheit herauszubekommen. Nicolai habe sie zurückgeschickt, gestand sie. Heute sei sie zwar auf Charles’ Wunsch hin zu Hause geblieben, aber morgen früh müsse sie unbedingt ausgehen, denn ihre deutschen Auftraggeber hätten von ihr verlangt, zwei Herren in London zu treffen. Sie würde Charles hinterher darüber berichten. «Es werden wichtige Informationen sein über die Anzahl der Agenten, die in England und Frankreich arbeiten. Das verspreche ich dir, Liebling. Aber sag bloß nicht, von wem du die Informationen hast, sonst bin ich verloren. Die Deutschen mißtrauen mir bereits, und sie sind schlau, Liebling, sie werden mich aufstöbern, wo immer ich mich auch verstecke. Sie werden mich töten.» Ihre Augen weiteten sich vor Angst. «Bitte, unterrichte Mr. Vernon erst dann von meiner Anwesenheit, wenn ich die Deutschen von meiner Zuverlässigkeit überzeugt habe.»
Mildred war noch wach, als er spätabends nach Hause kam. Sie war zugänglicher und erkundigte sich sogar nach Mary Anne. «Der Arzt hat meine Nerven großartig beruhigt.» Sie lächelte, was nur noch selten geschah. «Er stellte mir lauter komische Fragen nach deiner Kindheit im Pfarrhaus. Warum tut er das wohl, Charles?»
Er schüttelte den Kopf. «Ärzte stellen manchmal Fragen, die völlig unsinnig erscheinen.»
In der Nacht träumte Mildred, daß sie unter einem Baum lag, ein junger Mann mit einem Pansgesicht beugte sich über sie, sie wanden sich gemeinsam am Boden zwischen den Blättern, dann zerriß er ihr Kleid. In der Früh wachte sie auf, ihre Bettdecke war zerrissen und einer ihrer Fingernägel abgebrochen.
Am nächsten Tag erfuhr Charles, daß sie noch immer Nachrichten von der «Möwe» aus Berlin über die Schweiz erhielten.
«Du hast mich hintergangen!» Zum ersten Mal brüllte er Madeline an. «Du arbeitest noch immer für die Deutschen. Die Nachrichten von treffen regelmäßig ein. Du bist eine Närrin, Madeline, ich kann nichts mehr für dich tun...»
«Und was geschieht mit dir, mein Liebling?» Ihre Stimme klang zärtlich und sanft. «Du hast mich hier versteckt. Und ich habe an dich bereits Informationen weitergegeben. Du wirst ins Gefängnis kommen, weil du den Feind unterstützt hast. Vermutlich erschießen sie dich. Wenn du gleich zu deinen Vorgesetzten gegangen wärst, dann sähe die Sache anders aus. Aber nun ist es zu spät. Verstehst du nicht, mein Liebling, wir sitzen jetzt im selben Boot. Meine Chefs bedrohen mich, deine machen dir den Garaus.«
«Ich kenne meine Pflicht.»
«Ach, wirklich? Wir können uns gegenseitig helfen und uns gleichzeitig vergnügen. Unsere jeweiligen Chefs kommen dabei auch noch zu ihrem Recht. Niemand braucht je etwas davon zu erfahren. Und wenn der Krieg aus ist, werden wir schon zu einer Einigung kommen.»
«Madeline, du vergißt, ich bin ein Railton...»
«Unsere Tochter ist auch eine Railton.»
Sein Kinn fiel herunter, er wurde aschfahl.
Madeline Drew erklärte ihm freundlich die Situation
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