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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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anhand einiger Fotos, die sie mitgebracht hatte. Er starrte wie hypnotisiert auf die Bilder. Obwohl das Kind noch winzig war, die typischen Railton-Merkmale waren deutlich erkennbar.
    Als Charles an diesem Abend das Haus in Hans Crescent verließ, sah er nicht mal die zwei Geheimpolizisten im Schatten der Bäume stehen.
    Der Oktober wich dem November, der November dem Dezember An der Westfront starben die Männer, Dörfer wurden erobert und wieder aufgegeben. Das unbeständige Wetter, das den ganzen Sommer über geherrscht hatte, veränderte sich. Der Winter stand vor der Tür.
    An einem Novemberabend kam Giles, den Kopf voller Geheimnisse und Intrigen, ins Wohnzimmer, wo Denise beim Schein einer Lampe Ordnung schaffte. Sie war zu einer schönen jungen Frau herangewachsen.
    «Setz dich einen Moment hin, Denise.» Giles lächelte seine Enkelin freundlich an.
    «Was wünschst du, Großvater?» Sie sprach ein sehr gutes Englisch.
    «Bist du glücklich hier?»
    «Ja. Ich fühle mich hier geborgen. Ich habe alles, was ich will, und die Familie ist furchtbar nett zu mir. Stell dir vor, Großvater, Sara hat mich gebeten, eine ihrer Brautjungfern zu sein. Ich bin schon jetzt ganz aufgeregt.»
    Er nickte. «Ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Würdest du...» - er legte eine Pause ein - «nächstes Jahr ein paar Wochen in meinem Auftrag nach Frankreich fahren?»
    «Nur ungern. Aber warum?»
    «Ich möchte, daß du einigen Freunden von mir gewisse Nachrichten übermittelst.»
    «Wenn es dein Wunsch ist, dann muß ich es wohl tun.»
    «Wir sprechen wieder darüber.»
    Sara Railton heiratete in der Dorfkirche von Haversage am 23. Dezember 1915. Um zu sparen, trug sie dasselbe Brautkleid, in dem sie John geheiratet hatte, was bei der Familie und besonders bei den abergläubischen Einheimischen heftige Diskussionen auslöste.
    Die Nacht vor der Hochzeit verbrachte Dick im Hotel in Haversage, wo er ein kleines Diner gab, zu dem alle Railton-Männer eingeladen waren. Alle sagten zu, außer Giles und Malcolm. Sie hatten zwar plausible Entschuldigungen gefunden, aber alle wußten, daß die beiden Männer und Bridget den größten Teil des Abends im Arbeitszimmer des Generals geheime Besprechungen führten. Sie einigten sich während dieses Gesprächs auf verschiedene Taktiken, die die Situation in Irland während des kommenden Jahrs einschneidend beeinflussen sollten.
    Andrew betrank sich beim Abendessen, und Charles, der, wie alle fanden, sehr mitgenommen aussah, mußte ihn zu Bett bringen. Charles sollte am folgenden Tag Dicks Trauzeuge sein, da keiner der Farthings nach Europa kommen konnte.
    Bei seiner Tischrede sagte Dick, daß eigentlich James sein Trauzeuge hätte sein sollen, und sie legten eine Schweigeminute zu seinem Gedenken ein.
    Margaret schien als einzige nicht daran zu zweifeln, daß er noch am Leben war. Sie war ihrer Sache anscheinend so sicher, daß sie mit jedem lachte und scherzte. Sara war etwas verärgert, als Caspar ankam und ihr die Schau ein wenig stahl, indem er erklärte, daß er und Phoebe vor einer Woche heimlich geheiratet hatten.
    Billy Crook und Bob Berry hatten es fertiggebracht, Urlaub zu bekommen, und das ganze Dorf nahm an den Festlichkeiten teil.
    Sogar Mildred sah besser aus, aber nur wenige wagten, sich nach Mary Anne zu erkundigen.
    Die Neuvermählten verließen Redhill am Spätnachmittag, um Weihnachten in Ruhe in einem Hotel zu verbringen. Die übrigen Railtons blieben für die Festtage im Herrenhaus und feierten auf ihre traditionelle Art. Nur Giles zog sich wieder ins Arbeitszimmer des Generals zurück und nahm an den Ferienvergnügungen nicht teil. Er dachte lange über James nach.
    Sie ließen ihn in der gleichen Zelle, in die sie ihn nach seiner Verhaftung in Wilmersdorf gebracht hatten.
    In der ersten Woche gab es wenig Schlaf für ihn. Die Deutschen kamen zu dritt oder viert und verhörten ihn fast pausenlos. James hatte ihnen gemäß seinen Instruktionen erzählt, er sei Gustav Franke, arbeite jedoch unter dem Namen Graber für eine Schweizer Firma.
    Sie bedrohten ihn nicht körperlich, erhoben auch keine Anklage wegen Spionage gegen ihn, sie überließen ihn nach einer Woche einfach sich selbst.
    Jeden zweiten Tag führten ihn Gefängniswärter den langen Korridor entlang zu einem Hof, wo er eine Stunde umhergehen konnte. Das geschah immer genau um drei Uhr nachmittags, egal, ob es regnete oder die Sonne schien.
    James erlernte die Kunst, in Einzelhaft bei Verstand zu bleiben.

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