Eine ehrbare Familie
sie natürlich nicht hatte. Woraufhin er die Sache auf sich beruhen ließ.»
Giles nahm diese für die Familie höchst erfreuliche Nachricht kaum zur Kenntnis, sondern fuhr mit seinen Fragen nach Charles fort. Was das sei mit der Sabotage. Wer habe ihm einen Hinweis gegeben. Was Charles unternehme.
«Charles ist inzwischen ein alter Hase. Er ist erfolgreich und braucht meine Hilfe nicht.»
«Zumindest nimmt er die Sache ernst», sagte Giles am nächsten Tag zu Basil Thomson.
«Ich weiß.» Thomson klang verärgert. «Nach unserem Gespräch habe ich zwei meiner Leute zu Scotland Yard geschickt. Aber Ihr Neffe ist uns zuvorgekommen. Die Idioten von der Ermittlungsstelle haben die drei Morde nicht in Zusammenhang gebracht, wobei es doch geradezu ins Auge sticht, auch wenn die Morde in verschiedenen Teilen des Landes verübt worden sind. So sind sie einfach unter abgelegt worden.»
«Und es sind zwei Männer und eine Frau, wie sie gesagt hat?»
«Genau wie sie gesagt hat. Ein Leutnant zur See Fiske, gefunden in Portsmouth, November 1914, ein fünfzig Jahre alter Apotheker namens Douthwaite im Hinterzimmer seines Ladens in Camberwell, vergangenen Juli, und eine zweiunddreißig Jahre alte Frau, eine Mrs. Gregor, in einer Fremdenpension in Invergordon. Kurz vor Weihnachten. Alle erwürgt mit einem weißen Seidenschal, ein ganz ungewöhnlicher Knoten übrigens. Die Gregor hatte kurz vor dem Tod Geschlechtsverkehr, keine Anzeichen von Vergewaltigung. Einige meinen, der Täter könnte ein Marineoffizier sein wegen des weißen Schals, den die immer tragen.»
«Glauben etwa auch Sie, unser Mann könnte ein Marineoffizier sein?»
«Verrat ist nicht nur auf den Feind beschränkt, Giles. Wenn der deutsche Geheimdienst so schlau war, schon vor vielen Jahren Agenten ins Land einzuschleusen, können sie durchaus in die Marine oder ins Heer eingedrungen sein. Ich werde einen meiner besten Männer mit der Sache beauftragen. Aber zuerst müssen wir herausfinden, was den dreien, Fiske, Douthwaite und Mrs. Gregor, gemeinsam ist.»
Giles nickte. «Charles ist der Sache also bereits auf der Spur.»
«Ja, und wenn dem so ist, dann finde ich es an der Zeit, daß Charles Farbe bekennt und diese Walküre von Hans Crescent verhaftet wird. Genug mit der Geheimniskrämerei.»
«Noch vierundzwanzig Stunden, Basil. Warten wir ab, ob Charles wirklich etwas herausfindet. Es könnte uns viel Arbeit ersparen.»
Charles hatte Madeline gesagt, sie solle nur ausgehen, wenn ihre Auftraggeber es von ihr verlangten, und ihm immer eine Notiz hinter das Bild über dem Kamin stecken, so daß er eine Ahnung habe, wo sie sei. Er wisse nicht, wie lange seine Nachforschungen dauern würden, er sei schließlich kein gelernter Detektiv. (Thomson erzählte später, daß er dennoch die Geheimpolizei bei weitem geschlagen hätte.)
Er begann mit dem Apotheker in Camberwell. Es widersprach zwar den chronologischen Reihenfolge, aber Charles war in London, und so fing er in London an.
Cecil Douthwaite hatte in einer Fünfzimmerwohnung über seiner Apotheke gewohnt. Nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1913 hatte er gelegentlich ein Zimmer vermietet.
Er hatte die Apotheke 1899 gekauft und sie bis zu deren Tod mit Hilfe seiner Frau geführt. Sein einziger Angestellter war ein kleiner Junge gewesen, der Rezepte bei Kunden ablieferte oder Medikamente von den Ärzten holte. Nach dem Tod seiner Frau hatte er eine junge Person namens Dorothy Knapp angestellt. Sie war die einzige, die ein zweites Paar Schlüssel besaß. Die gelegentlichen Untermieter hatten einen Schlüssel zu einem Seiteneingang, der aber keine Verbindung mit der Apotheke oder dem Lagerraum hatte.
Am Abend des 16. Juli 1915 hatte Miss Knapp den Laden wie üblich um halb sieben Uhr verlassen. Mr. Douthwaite hatte ihr fröhlich einen guten Abend gewünscht und sie ermahnt, sich am nächsten Morgen nicht zu verspäten. Abgesehen von dem Mörder war die zweiundzwanzigjährige Dorothy Knapp die letzte gewesen, die den Apotheker lebend gesehen hatte.
Am nächsten Morgen, den 17. Juli, war sie um halb neun Uhr erschienen. Als sie ihren Chef nicht wie üblich in der Apotheke vorfand, war sie sofort beunruhigt gewesen. Es war für ihn ganz ungewöhnlich. Der Lagerraum war abgeschlossen gewesen, und so war sie zur Treppe gegangen und hatte hinaufgerufen. Keine Antwort. Sie war nach oben gegangen und hatte ihn aufrecht sitzend in seinem Lieblingssessel vorgefunden. Sein Gesicht war blau
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