Eine ehrbare Familie
Niemals wieder würden Diplomaten über wichtige geheimdienstliche Erkenntnisse im dunkeln gelassen werden.
Zweitens erhielt der «Fischer» eine Anweisung, die zu einem direkten Zusammenstoß mit den Railtons führen sollte.
Hans-Helmut Ulhurt war befohlen worden, Wohnsitz in London zu nehmen, um von dort aus heikle Aufträge für Steinhauer auszuführen, der, wie schon so oft in der Vergangenheit, seinen Agenten dazu benutzt hatte, um den inzwischen zum Oberst beförderten Nicolai zu unterstützen.
Der «Fischer» erledigte seine Arbeiten zuverlässig und tüchtig wie immer. Dann erhielt er eines Morgens neue Instruktionen. Zweimal in der Woche zu einer bestimmten Stunde solle er eine vorgezeichnete Route abgehen. Während einem dieser Routinegänge stieß ein junger Mann mit einem Kaninchengesicht mit ihm zusammen und steckte ihm einen Umschlag zu.
Er kehrte in sein in der Nähe liegendes Zimmer im Haus einer gewissen Mrs. Blacket zurück, die annahm, er sei ein verwundeter Unteroffizier. Der «Fischer» nahm sein Codebuch und entschlüsselte die Nachricht: «Verlassen Sie umgehend London. Finden Sie neues Ziel. Handeln Sie wie zuvor.»
Der «Fischer» roch Gefahr und machte sich aus dem Staub wie eine verbrühte Katze.
Drittens erklärte Amerika den Mittelmächten den Krieg. Aber es dauerte fast ein Jahr, bis die amerikanischen Truppen in Frankreich eine nennenswerte Stärke erreichten.
Dick Farthings Onkel dagegen, Colonel Bradley Farthing, erschien schon drei Wochen nach der Kriegserklärung in Redhill.
Das Gemetzel an der Westfront hielt an. Die Armeen hörten ständig den Ruf «Die Amerikaner kommen», aber die Tatsache, daß sie nicht da waren und Beistand leisteten, außer aus der Luft, machte die Soldaten skeptisch, die noch immer um inzwischen nur zu vertraute Orte wie Bapaume, die Anhöhe von Vimy und Cambrai kämpften und dort ihr Leben ließen.
Caspar und sein Chef beschäftigten sich häufiger als je zuvor mit den Problemen in Osteuropa. Es war nicht mehr zu übersehen, daß die russische Armee und das ganze Land gespalten waren. Caspar bemerkte, daß sein Bruder Roy mit beunruhigender Regelmäßigkeit C’s Büro aufsuchte.
Auch sollte er bald Bradley Farthing kennenlernen. Die Ankunft von Dicks Onkel in England hatte sich schnell bei den Railtons herumgesprochen. Und die gesamte Familie verhielt sich so, als gehöre die Verwandtschaft von Saras Mann einer seltsamen Gattung an, die man genau und gewissenhaft studieren müsse.
Charles und seine Kollegen hatten in der Zwischenzeit einige Fortschritte gemacht. Durch einen Zufall waren sie dem «Fischer» in Holborn auf die Spur gekommen. Eine Mrs. Blacket, Besitzerin eines sogenannten Privathotels, hatte den Diebstahl einiger kleiner Silbergegenstände angezeigt.
Die örtliche Polizei hatte sich alle Gäste notiert, die plötzlich abgereist waren. Darunter hatte sich auch ein ehemaliger Soldat befunden, der in der Sommeschlacht ein Bein verloren hatte. Er war sehr plötzlich verschwunden, und Mrs. Blacket hatte sein Zimmer noch nicht weitervermietet. Die Polizisten durchsuchten das Zimmer und fanden hinter einer Kommode ein Notizbuch. Es enthielt nur zwei beschriebene Seiten, hingekritzelte deutsche Worte, aber sogar die Polizisten konnten «Natal» entziffern. Sie gaben das Notizbuch an die Geheimpolizei weiter. Im Frühsommer gelangte es auf dem Dienstweg in Charles’ Hände.
Charles schien sich von dem durch Mildreds Krankheit und Tod hervorgerufenen Trauma allmählich zu erholen.
Wood beobachtete, daß er nur noch gelegentlich verstört wirkte. Er konnte nicht wissen, daß diese «Rückfälle» zeitlich mit den Geheimaufträgen zusammenfielen, Informationen an Brenner zu liefern.
Einer dieser Aufträge kam im Frühling und forderte Informationen über neue Tanktypen und deren Bewaffnung. Brenner hatte keinerlei Verständnis für Charles gezeigt, als dieser ihm kurz und bündig erklärte, er spiele das Spiel nicht länger mit und statt dessen verlange er jetzt von Brenner Informationen.
«Mein lieber Freund, verstehen Sie nicht, daß diese Auskünfte notwendig sind? Wir tun es für Großbritannien. Sie müssen weitermachen.« Soweit Brenner.
Charles hoffte, daß man ihn von nun an in Ruhe lassen würde, denn endlich waren sie dem «Fischer» auf den Fersen.
Von Mrs. Blacket wußten sie, daß er sich als kriegsbeschädigter Unteroffizier ausgegeben hatte. Sie kannten sogar seinen Namen -Sergeant Willis. Bald fanden sie auch heraus,
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