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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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daß Willis einen Verwundetenausweis benutzt hatte, um sich eine verbilligte Fahrkarte nach Schottland zu verschaffen. Der «Fischer» wurde unvorsichtig, und Charles, Wood und Partridge beschlossen, die Spur weiterzuverfolgen. Vermutlich war Cromarty der beste Platz, nach ihm zu fahnden?
    Sie verließen London am Spätnachmittag des 9. Juli. Als der Zug sich in Bewegung setzte, kam die Meldung von einem weiteren Sabotageakt. Die Vanguard, ein Schlachtschiff, war ohne Grund explodiert. Siebenhundert Menschen hatten den Tod gefunden.
    James erfuhr erst Ende Juni, daß Amerika in den Krieg eingetreten war, und das nur sehr beiläufig, als sei es eine unwichtige Nachricht. Er war schwächer und dünner geworden. Der Winter hatte ihn arg mitgenommen, und der Kommandant war sehr beunruhigt, als James zweimal schwer an Bronchitis erkrankte.
    Die Verpflegung war auch keine Hilfe, ab Januar wurden die Rationen immer knapper. Und sogar als das Frühjahr endlich kam, verbesserte sich die Nahrungslage nur um ein geringes. Für James war es ein Beweis, daß die Blockade Deutschlands einschneidende Wirkungen hatte. Der Kommandant schwärmte nach wie vor von seinen Kavallerieattacken, aber eines Abends nach einem fast ungenießbaren Essen fing der alte Mann an, von dem grausamen Gemetzel an der Westfront zu berichten. James sagte nichts, dachte aber, daß der alte, etwas trottelige Offizier unwissentlich eine Menge preisgab. Die Tanks richteten anscheinend große Verheerung unter den Infanteristen an, und Giftgas, Luftangriffe und die Schützengräbenkämpfe dezimierten Europas Jugend.
    James erkannte nicht zum ersten Mal, daß er in einer Traumwelt lebte. Er hatte keine Ahnung, wie die Schlachten verliefen, auch konnte er sich kein klares Bild der Lage machen. Nur die Neuigkeit, daß Amerika in den Krieg eingetreten war, gab ihm neuen Mut.
    Colonel Bradley Farthing war der jüngste Bruder von Dicks Vater. Die Familienähnlichkeit war verblüffend - der gleiche ständig amüsierte Ausdruck, der gleiche Körperbau. Colonel Farthing, dachte Sara, war unwahrscheinlich anziehend, knapp fünfzig Jahre alt und von einem Charme, der vermutlich auch saure Milch noch trinkbar machte.
    Redhill gefiel ihm großartig. «Genauso habe ich mir England immer vorgestellt», erklärte er. Sara blinzelte ihm zu und meinte, daß Frankreich und Belgien sich wohl sehr verändert hätten und sicher weniger angenehm werden würden.
    «Ich glaube nicht, daß ich viel von Frankreich zu sehen bekomme.» Er kratzte sich am Kopf. «Aber ich kann Ihnen versprechen, daß unsere Jungens bald nach Europa kommen und Hackfleisch aus den Hunnen machen werden. Aber unser Generalstab sieht mich nicht unbedingt als Frontkommandanten.»
    Mehr brauchte er nicht zu sagen. Sara hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, warum Brad Farthing mit der Vorhut gekommen war. Aber im Moment war ihr das völlig egal, denn er heiterte Dick auf, um den sie sich große Sorgen machte.
    Er war beunruhigend niedergeschlagen, sein früherer Sinn für Spaß war einem verdrossenen Schweigen gewichen, nur in Gegenwart seines Onkels lachte er zuweilen.
    Er war bislang von zwei Sanitätskommissionen untersucht worden, und beide hatten die Rückkehr zu seiner Staffel für die nächste Zeit verboten. Sara glaubte ihren Mann gut zu kennen und wußte, daß er jetzt erst recht fliegen wollte, besonders da sein eigenes Land in den Krieg eingetreten war.
    Dick wußte nicht, daß sie ihn jeden Morgen regelmäßig beobachtete, denn er schlüpfte leise aus dem gemeinsamen Bett und versuchte, ohne sie zu stören, in sein Ankleidezimmer zu gelangen. Das erste Mal, als es passierte, brauchte sie volle fünfzehn Minuten, um herauszufinden, was er trieb. Sie schaute aus dem Fenster im ersten Stock und sah, wie er im Rosengarten ohne Stock hin- und herstampfte, sich dann auf eine der niedrigen grauen Steinmauern setzte und die Beine, Stock zwischen den Schenkeln, weit von sich streckte. Erst stieß er das linke Bein, dann das rechte nach vorn, als säße er im Pilotensitz eines Flugzeugs.
    Am nächsten Abend stachelte sie ihn absichtlich auf. «Du hast Heimweh», sagte sie anklagend, als sie sich zum Abendessen umzogen.
    «Unsinn, ich bin jetzt hier zu Hause, du bist mein Zuhause.»
    «Und warum bist du plötzlich so verändert, wenn dein Onkel in mein Haus kommt?»
    Er lachte. «Dein Haus, Liebling? Giles würde das nicht gern hören...»
    Ihr Gesicht verfinsterte sich, sie öffnete den Mund, aber Dick stoppte

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