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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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den Wutanfall mit einem Kuß, bevor er ausbrechen konnte. «Ein Scherz, Sara.»
    «Also, sag schon.» Sara war noch immer verärgert, aber gleichzeitig erfreut, daß er auf sie zugekommen war, denn in den letzten Wochen hatte immer sie die Initiative ergreifen müssen.
    «Was soll ich dir sagen?»
    Er humple im Haus herum wie eine lahme Ente, beschuldigte sie ihn. Er mache eine saure Miene, sei schlecht gelaunt und empfindlich. Aber kaum erscheine Onkel Brad, sei er wie umgewandelt. «Ich habe dich heute früh laut lachen hören. Bist du dir klar darüber, wie lange es her ist, daß du gelacht hast?»
    «Ja», sagte er ruhig und in einem so seltsamen Tonfall, daß sie sich umdrehte und ihn ansah. Er zitterte am ganzen Körper, sah bleich aus und hielt sich mit einer Hand an der Tischkante fest. «Ja, ich weiß.»
    Dann begann er zu sprechen. Er berichtete ihr von Anfang bis zum Ende von Denises Rettung, bis zu dem Augenblick, wo er das Bewußtsein verloren hatte. Während er redete, entdeckte Sara etwas, das sie an ihm früher nie bemerkt hatte: Angst. Er sprach von Furcht; von dem Entsetzen, als er sich den deutschen Linien genähert hatte, der blinden Panik, die er bei dem schrecklichen Start empfunden hatte, der nur durch schieres Glück gelungen war.
    «Ich habe noch nie im Leben so Angst gehabt, Sara, und ich hoffe, daß mir das auch nie wieder passiert. Ich... ich...» Er blickte zu Boden. «Ich habe vor Angst in die Hosen geschissen. Und warum? Weil dein lieber, reizender Onkel Giles...»
    «Er ist nicht mein Onkel.»
    «Gut, also dein angeheirateter Onkel, dieses Kind hinter die deutsche Frontlinie geschickt hat. Sie hat Nachrichten von Belgien nach Holland geschmuggelt. Zehn ihrer Mitagenten sind erschossen worden...»
    «Woher weißt du das?»
    «Caspar hat es mir an Weihnachten erzählt. Giles hat seine Enkelin bewußt in Lebensgefahr gebracht...»
    «Das gehört zu seiner Arbeit. Aber ich höre, er zieht sich zurück.»
    «Seine Sorte zieht sich niemals zurück. Die bleibt mißtrauisch bis ins Grab. Ich werfe ihm meine Verwundung nicht vor, aber zum ersten Mal im Leben hatte ich Angst und habe sie immer noch. Und was Onkel Brad betrifft, seine Gegenwart tut mir einfach gut. Er gehört zu meiner Vergangenheit, und wenn ich mit ihm rede, erinnere ich mich, wie ich einmal war. Er gibt mir ein Stückchen meines früheren Selbstvertrauens zurück. O Sara...» Er lag in ihren Armen, und sie hätte nie geglaubt, daß ein Mann so hemmungslos weinen könnte. Schluchzen schüttelte seinen Körper, und sie konnte die Worte nur erraten: « .. .immer noch Angst... weiß nicht, ob ich es noch einmal tun kann...»
    «Das brauchst du bestimmt nicht, Liebling...»
    «Nein, nicht kämpfen... fliegen. Ich weiß nicht einmal, ob ich noch mal den Mumm habe, ein Flugzeug zu besteigen. Ich bin ein Feigling geworden.»
    Sie gab leise, beruhigende Laute von sich. Er fröstelte, stöhnte, murmelte, daß er den Orden nie hätte annehmen dürfen. «Sie sind für Helden...» Sie brachte ihn zu Bett, schloß die Tür ab, zog sich aus und legte sich neben ihn. Eng an ihn geschmiegt, versuchte sie, ihn zu trösten. «Du hast dir nichts vorzuwerfen, Liebling», flüsterte sie. «Das passiert vielen Männern. Es ist eine Art Erschöpfungszustand ...»
    «Und man erschießt sie dafür, erschießt sie, weil sie Feiglinge waren...»
    «Nein, Dick, du bist kein Feigling. Erinnere dich daran, wie du vor dem Absturz, vor dem Flug, warst. Du sagst, Onkel Brad ruft dir dein früheres Ich ins Gedächtnis zurück. Du kannst wieder fliegen, obwohl dich niemand dazu zwingen wird. Und du bist ein Held. Glaub es mir.» Er entspannte sich allmählich und wurde ruhiger. Und mit der Ruhe kam die Zärtlichkeit zurück. Sie liebten sich und schliefen eng umschlungen ein.
    Sie verpaßten das Abendessen und fragten sich, was Onkel Brad wohl von ihnen dächte. Aber dann sagte Sara, es sei nicht besonders wichtig, was er dachte. Um Mitternacht schlich sie nach unten, bereitete eine kalte Mahlzeit zu und nahm sie auf einem Tablett mit hinauf. Sie aßen kichernd wie Kinder, die ein verbotenes Fest im Schlafsaal feiern.
    Am nächsten Tag fuhr Onkel Brad nach London. Er wollte nach einer Woche zurückkommen.
    Colonel Farthing hatte eine Menge offizieller Empfehlungsschreiben in der Tasche. Seine Hauptaufgabe war, sich über die Zusammenarbeit der Geheimdienste zu informieren. Reginald Hall war der erste, den er in der Admiralität kennenlernte. Im Vorbeigehen wurde

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