Eine ehrbare Familie
würde.
«Liebe, Pflege und ein gemütliches Zuhause werden den jungen Mann bald wiederherstellen», sagte der Arzt im Militärkrankenhaus. «Er soll sich in sechs Monaten wieder bei uns melden.' Sein Bein ist ziemlich zertrümmert. Es ist noch zu früh zu sagen, wieweit es heilen wird.»
Am nächsten Morgen sah Sara zu, wie sein Bursche im Krankenhaus die Sachen zusammenpackte. Dann fuhr sie mit Dick nach Haversage. Sie wollte ihn stützen, aber er bestand darauf, alleine auf seinen zwei Stöcken zu gehen.
Es lag schon Schnee in der Luft, und sie konnte die Erleichterung auf seinem Gesicht sehen, als sie ihn zu Bett brachte.
«Giles hat gesagt, du hättest etwas sehr Mutiges getan», sagte sie und küßte ihn.
Er lächelte sie müde an. «Du weißt doch, was für ein Lügner Giles ist. Ich bin über einen Fliegerstiefel gestolpert.»
Als nach dem harten Winter das Frühjahr 1917 endlich kam, waren viele Veränderungen eingetreten. Lord Kitchener war tot. Großbritannien hatte unter Lloyd George eine neue Regierung. Hindenburg und Ludendorff hatten das Oberkommando über die deutsche Armee übernommen, Joffre war ausgebootet, Kaiser Franz Joseph gestorben und die Romanow-Dynastie stand auf schwachen Beinen. Viele russische Gefangene, deren revolutionäre Tendenzen wohlbekannt waren, wurden von den Deutschen entlassen und nach Rußland zurückgeschickt.
In Redhill war das Haus zu Weihnachten voll, und das Fest verlief verhältnismäßig glücklich. Giles war ausnahmsweise nicht dabei, aber Andrew und Charlotte kamen - beide stolze Großeltern. Ihre | Beziehung zu Phoebe hatte sich verbessert. Charles, einsam und ein wenig verzweifelt aussehend, brachte Mary Anne mit, die viel Zeit mit der Kinderfrau Coles und dem jungen William Arthur verbrachte. Auch Margarete mit ihren zwei Kindern und deren Kinderfrau waren da.
«Die Arme, sie glaubt noch immer, daß James am Leben ist», sagte Charlotte zu Caspar, der wütend entgegnete:
«Und sie hat völlig recht, Mama. Du wirst es sehen.»
Rupert hatte keine Fortschritte gemacht. Roy war liebenswürdig, aber verschlossen. Da Billy Crook noch an der Front war, hatte Sara Vera und ihr Baby am Weihnachtsnachmittag eingeladen, damit sie ihre Geschenke abholen konnte.
Am Heiligabend erhielt Dick ein Telegramm. Er las es, steckte es sofort in die Tasche, und Sara mußte ihn vor allen Gästen bitten, es ihr zu zeigen.
Sie überflog es und stieß einen kleinen Freudenschrei aus, dann verkündete sie der Familie die gute Neuigkeit: «Er hat ein tolles Weihnachtsgeschenk bekommen, einen hohen Orden...» Sie wedelte mit dem Telegramm in der Luft herum und las: «Für außergewöhnliche Tapferkeit vor dem Feind. Setzte sein eigenes Leben aufs Spiel, um andere zu retten.»
Jeder gratulierte und applaudierte ihm. Dann trat Denise vor, die auf Giles’ Anordnung mit Malcolm gekommen war, und flüsterte Dick ins Ohr: «Dank dir, ich bin dir so dankbar.» Sie küßte ihn auf beide Backen und umarmte ihn.
«Warum tut sie denn das?» fragte Sara mißtrauisch.
«Französisches Blut, momentane Sentimentalität», murmelte Charlotte, und Caspar, der Bescheid wußte, zischte ärgerlich:
«Mach kein Theater. Eines Tages wirst du’s erfahren.»
Eine Fregatte lag an Weihnachten in Cromarty. Der Dienst war normal. Männer kamen und gingen.
An dem fraglichen Morgen achtete der wachhabende Offizier nicht auf den hinkenden Maat mit der vernarbten Gesichtshälfte, als er salutierend das Achterdeck betrat.
Später, nach der Wachablösung, warf der neue wachhabende Offizier nicht einmal einen Blick auf den Maat, als er das Schiff wieder verließ.
Dreißig Minuten später explodierte die Fregatte mit einem enormen Knall und einer weißen Stichflamme. Die gesamte Besatzung wurde getötet.
In Redhill erhielt Charles einen Anruf von Basil Thomson. Eine Stunde später saß er mit seinen beiden Kollegen, Wood und Partridge, im Zug nach Schottland.
Abgesehen von der Explosion, wurde ein junges Mädchen in einem abgelegenen Cottage entdeckt. Sie war mit einem weißen Seidenschal erwürgt worden.
Als Charles und die beiden Geheimpolizisten eintrafen, befand sich der «Fischer» bereits auf der Rückreise nach London.
28
Als der lange, dunkle Winter endete, traten mehrere Ereignisse ein, die den Fortgang des Kriegs und das Schicksal der Railton-Familie stark beeinflussen sollten.
Erstens ging Giles’ größter Wunsch in Erfüllung: C’s Dienststelle wurde dem Foreign Office unterstellt.
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