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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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ihm Andrew vorgestellt.
    «Ich habe bei Dick und der reizenden Sara gewohnt», dröhnte er und drehte Andrews Arm fast aus dem Schultergelenk.
    Er unterhielt sich lange mit Hall, der liebenswürdig, aber äußerst zugeknöpft war und den Amerikaner nicht einmal in die Nähe von Zimmer 40 kommen ließ.
    Farthings Besprechung mit Vernon Kell und den Leuten von MI 5 beschränkte sich auf technische Einzelheiten.
    Charles war noch immer in Schottland, so daß Farthing ihn nicht treffen konnte. Am vierten Tag seines Londoner Aufenthalts lernte er jedoch Caspar kennen, als er C aufsuchte - ein Besuch, der von den gebührenden Vorsichtsmaßnahmen begleitet war.
    Sie verbrachten fast einen ganzen Tag miteinander, denn gewisse Dinge beunruhigten C und die Leute vom militärischen Geheimdienst - «beunruhigten» war in diesem Fall eine Untertreibung. Eine Katastrophe zeichnete sich am Horizont ab.
    Am 16. März hatte Zar Nikolaus II. abgedankt. Gerüchte über eine bevorstehende Rebellion der russischen Armee, Lebensmittelknappheit und mangelnden Nachschub waren in Umlauf. Die Situation war unüberblickbar. C und viele seiner Kollegen sahen Bolschewisten an jeder Ecke. «Wenn die Burschen geschickt sind, ist ihre Zeit gekommen», sagte C zu Caspar, der jetzt verstand, warum gewisse bekannte Rußlandkenner so oft bei C ein und aus gegangen waren - unter ihnen die vertraute, geheimnisumwobene Gestalt seines Bruders Roy.
    Ende der Woche fuhr Brad Farthing nach Redhill zurück. Er fand Dick in einem unvergleichlich besseren Zustand vor.
    «Charles kommt vielleicht übers Wochenende», verkündete Sara fröhlich. Sie hatte ein Telegramm von ihm erhalten. «Aus Glasgow, schauerliche Stadt. Aber man weiß ja nie, wo Charles unerwartet auftaucht.»
    «Hoffentlich bald hier.» Onkel Brad trank seinen Whisky. «Ich würde ihn gern kennenlernen. Kell hat mir viel von ihm erzählt.»
    Es war Vernon Kell, der ursprünglich für Charles’ Rückkehr nach London verantwortlich war, obwohl er nie etwas von dem dramatischen Geschehen erfahren würde, das sein Befehl ausgelöst hatte. Die zwei Männer hatten öfters miteinander telefoniert, während Charles, Wood und Partridge die Spur des «Fischers» in Schottland verfolgten. Aber nun schienen sie an einem toten Punkt angelangt zu sein, und Kell hatte beschlossen, Charles woanders einzusetzen. Er gab Thomson Bescheid und beorderte Charles telegrafisch zurück. Charles packte seinen Koffer, legte ihn für den Gepäckträger des Hotels aufs Bett, überprüfte automatisch seinen Revolver, eine Webley, den er jetzt immer bei sich trug, und ging zum Bahnhof, um ein Bett im Schlafwagen zu buchen.
    Am Schalter vor ihm stand ein Mann, der ebenfalls ein Bett reservieren wollte. Charles, inzwischen ein erfahrener Agent, war immer auf der Hut. Seine Augen standen nie still, und seine Ohren nahmen jedes Geräusch, jeden Gesprächsfetzen auf.
    «Harker», sagte der Mann vor ihm zu der Beamtin und buchstabierte seinen Namen H-a-r-k-e-r.
    Charles blickte in die Richtung der Bahnsteige und sah, daß eine der Sperren schon offen war und die Passagiere für den Londoner Nachmittagszug bereits durchgelassen wurden. Er traute seinen Augen nicht, als er den großen, stark hinkenden Mann erspähte. Der Mann wandte sich etwas zur Seite, um seine Fahrkarte vorzuzeigen, und Charles sah die grauenvolle rote, schlecht verheilte Brandnarbe auf seiner rechten Backe. Der «Fischer» war in greifbarer Nähe.
    Charles trat an den Schalter und löste ein Billett erster Klasse nach London, dann ging er im Eilschritt zum Hotel zurück. Innerhalb weniger Minuten hatte er seine Rechnung bezahlt, der Gepäckträger holte seinen kleinen Koffer aus dem Zimmer. Charles ergriff ihn und lief zum Bahnhof. Er hatte noch fünfzehn Minuten Zeit und wußte, er mußte sich eines Tricks bedienen, dem er immer mißtraut hatte - nämlich sich zu verkleiden.
    Auf der Herrentoilette öffnete er den Koffer und holte einige Artikel hervor, die er für einen solchen Notfall bei sich hatte. Der Schnurrbart war genau auf seine Haarfarbe abgestimmt. Er klebte ihn sich an, setzte eine Brille auf und betrachtete sich im Spiegel. Sein verändertes Aussehen erstaunte ihn selbst.
    Er kaufte sich eine Zeitung und begab sich zum Zug. Vor seinem geistigen Auge stand deutlich das Bild des Mannes aus Rosscarbery, des Mannes, der Schiffe in die Luft sprengte und Menschen mit einem weißen Seidenschal tötete.
    Charles schlenderte den Zug entlang und blickte in

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