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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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Charles fragte, ob der andere ihn erschießen wolle. «Ich?» Ein freundliches Lachen. «Warum sollte ich? Wie ich verstehe, ziehen wir am gleichen Strang. So zumindest lauten meine Instruktionen, aber nachdem Sie darauf bestehen, mich zu verfolgen und sich zu verkleiden, dachte ich, wir sollten uns ein wenig unterhalten.»
    «Über was?»
    Der «Fischer» fing an, Charles Dinge zu erzählen, von denen dieser nicht die geringste Ahnung hatte. Er sprach von Hanna Haas, von Marie und Hirsch, und vor allem von den Informationen, die Charles an Brenner weitergab. Der «Fischer» lachte wieder. «In Berlin nennt man Sie «Brenners Botenjunge>.»
    Charles erkannte plötzlich die ganzen Ausmaße des Komplotts, in das man ihn hineingezogen hatte. Das einzige, was er nicht verstand, war das Motiv. Er überlegte, ob er noch genug Zeit hatte, sich des Mannes zu entledigen, und beschloß ja -wenn auch knapp.
    Er ließ daher den «Fischer» weiterreden, verschränkte die Hände, rutschte auf dem Sitz hin und her, so daß eine plötzliche Bewegung natürlich erscheinen würde.
    Der «Fischer» verlegte sich jetzt aufs Fragen. Nahm Charles an, daß sich sein Verrat am Ende auszahlen würde? Was waren seine Gründe? Haßte er England? War er enttäuscht worden, oder fürchtete er sich vor dem, was geschehen würde, wenn Großbritannien den Krieg und sein Weltreich verlor?
    «Zigarette?» fragte Charles, und seine Hand glitt unauffällig an seinen rechten Schenkel.
    «Warum nicht?» Ein spöttischer Blick, dem Charles standhielt. Dann sprang er blitzschnell auf, warf sich vornüber, vermied die Hand, die die Pistole hielt, prallte gegen die Brust des «Fischers» und in dieser Sekunde, wo die Mauser außer Aktion war, versuchte er, sein Opfer niederzuschlagen.
    Später erinnerte er sich nur noch sehr unklar an den Kampf, außer an die ungeheuerlichen Kräfte des Mannes und an den einen Moment, wo sie beide nach der Mauser grapschten. Was er allerdings nie vergaß, war sein eigener verzweifelter Versuch, seine Webley aus der rechten Hosentasche zu ziehen, während sie Körper an Körper miteinander rangen - und dann der Schuß! Und die plötzliche Erkenntnis, daß ein eben noch lebendiger Mensch tot, zusammengesackt, blutend vor ihm lag.
    Irgendwie gelang es ihm, die Mauser aufzufangen, bevor sie auf den Boden aufschlug. Die Hand des «Fischers» öffnete sich in einer letzten Anstrengung. Charles schoß ein zweites Mal. Die Kugel traf den «Fischer» mitten ins Herz.
    Charles bewegte sich mit äußerster Schnelligkeit. Er knöpfte den Mantel des «Fischers» zu, damit der Stoff das Blut aufsaugte. Dann vergewisserte er sich, daß die Kugeln im Körper steckengeblieben und nicht etwa in die Polsterung eingedrungen waren.
    Der Zug schaukelte stärker, und Charles hatte Mühe, die Abteiltür zu öffnen, die immer wieder zurückglitt. Er zerrte die Leiche über den Gang zur Wagentür, öffnete sie und wartete einen günstigen Moment ab. Die Leiche hing halb aus der Tür, und als sie über eine schmale Brücke fuhren, stieß er sie mit einem kräftigen Fußtritt ganz hinaus.
    Charles säuberte sorgfältig das Abteil, stellte seinen Koffer neben den des «Fischers», dann ging er den Gang entlang zur Toilette und entfernte, so gut es ging, alle Spuren des Kampfes von seinen Händen und seinem Anzug.
    Am Euston-Bahnhof ging er ins nächstliegende Hotel, behielt seine Verkleidung bei, durchsuchte den Koffer des «Fischers» und entdeckte all dessen Geheimnisse. Charles’ eigener Name und der von Brenner wurden in mehreren Nachrichten und Dokumenten genannt, die er alle verbrannte. Er blieb die ganze Nacht über wach und verließ das Hotel nur einmal, um sich zu vergewissern, daß weder Wood noch Partridge mit dem Nachtzug angekommen waren.
    Am nächsten Morgen entfernte er Schnurrbart und Brille, rasierte sich und nahm ein Taxi nach Cheyne Walk. Dort packte er seine Sachen in einen größeren Koffer, den Anzug, den er getragen hatte, legte er zuunterst, denn die von der Wembley versengten Stellen würden sich nicht entfernen lassen. Er nahm sich vor, den Anzug in Redhill zu verbrennen. Dann säuberte er den Revolver, lud ihn wieder auf und kam gerade zur rechten Zeit nach unten, um der hocherfreuten Mary Anne zu begegnen, die auf dem Weg zum Krankenhaus war.
    Er sagte ihr, daß er William Arthur fürs Wochenende mit nach Redhill nehmen würde, dann schickte er ein Dienstmädchen zu der Gouvernante Miss Coles, um ihr Bescheid zu

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