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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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in der Bibliothek saß, wieder darüber nach. Das Feuer loderte im Kamin, und sie blickte zu Bucks Porträt hinauf. Vage Fragen schossen ihr durch den Kopf. Sie fühlte sich plötzlich tief deprimiert. Sie ging ans Fenster, das auf den Rosengarten blickte. Die winterliche Sonne schien noch, und sie sah hinaus auf die Zypressen, die den Weg säumten, auf den Gartenpavillon und auf das sogenannte Labyrinth am Ende des Gartens. Dahinter dehnte sich, soweit das Auge reichte, das Acker-und Weideland des Besitzes aus. Und in weiter Ferne konnte man gerade noch «Ägypten» erkennen.
    Um gegen ihre merkwürdige Stimmung anzugehen, lief Sara auf ihr Zimmer, zog sich Reitstiefel und Reitrock an und ging zu den Ställen.
    Billy Crook war zu Ted Natter geschickt worden, um ihm Bescheid zu geben, und Ted hatte Fancy gesattelt, eine fromme gescheckte Stute.
    «Sie ist ein fügsames Tier, Mrs. Railton», sagte Ted Natter, als Sara im Stallhof erschien.
    Aber Sara war nicht in fügsamer Laune. «Wenn ich ein lammfrommes Pferd will, Ted, dann sage ich Ihnen das. Ich will ein temperamentvolles Tier haben.»
    Im Sattelraum, während seine Herrin im Hof ungeduldig auf und ab stelzte, sagte Natter mürrisch zu Billy Crook: «Sie will was Temperamentvolles, dann kannse Turk haben und zum Teufel mit ihr.»
    Doch trotz seiner Mürrischkeit war Natter ein verantwortungsvoller Mann. Turk war der Grauschimmel des Generals gewesen, ein schönes Tier, temperamentvoll, aber leicht zu lenken. Natter hatte den General verehrt und hätte nie einem Mann von über siebzig ein schwieriges Pferd gegeben. Und so hatte er keine Bedenken, Lady Sara - wie das Personal sie unkorrekterweise nannte - auf Turk allein davonreiten zu sehen. Sie hatte die Begleitung von Natter oder von Billy Crook entschieden abgelehnt.
    Sie ritt in scharfem Tempo und mit großer Aufmerksamkeit, ihre Wangen röteten sich von der Kälte, und ihre aufgewühlten Gefühle kühlten sich ab. Sie war wieder sie selbst, und als sie an eine besonders hohe Hecke kam, spornte sie Turk an, darüberzuspringen. Er schien ein wenig langsamer zu werden und zu zögern, aber Sara feuerte ihn mit aufgeregten Zurufen an. Es war das erste Mal, daß sie in diesem Tempo ein so hohes Hindernis auf so einem großen Tier nahm.
    Dann sprang Turk, sie klammerte sich mit Händen, Knien, Schenkeln fest, um oben zu bleiben. Eine Sekunde lang schien die Zeit stehenzubleiben, und es war in dieser Sekunde des Schwebens über der Hecke, daß sie die Gefahr erkannte.
    Vor ihr, auf der anderen Seite der Hecke, sah sie eine Gruppe von Männern, die im Graben direkt unter ihr arbeiteten. Sie hörte ihre Schreie und sah, wie sie auseinanderstoben. Danach hatte sie das Gefühl, mitten in der Luft zu hängen, der Himmel war dort, wo die Erde hätte sein sollen. Dann wirbelte alles vor ihren Augen herum. Sie spürte heftige Schmerzen, und Dunkelheit verschluckte sie.
    Als nächstes spürte sie, wie Wärme sie überflutete. Sie wußte, sie lag auf dem Rücken. Aus weiter Ferne vernahm sie Stimmen. Als sie die Augen öffnete, schwamm undeutlich ein wettergebräuntes junges Gesicht über ihr, als sei es vom Körper getrennt.
    «Wo ist Turk?» fragte sie. «Ist ihm etwas passiert?»
    Der junge Mann kniete neben ihr. «Spadger versucht, ihn einzufangen. Er ist weitergaloppiert. Er scheint unverletzt zu sein. Aber um Sie mache ich mir Sorgen.»
    «Und die Männer? Ich sah Männer.»
    «Keiner ist zu Schaden gekommen», er lächelte. Er sprach mit leicht ländlichem Dialekt, aber lange nicht so ausgeprägt wie Ted Natter oder die Dienstmädchen. «Ich habe jemand ins Herrenhaus geschickt, um einen Arzt holen zu lassen.»
    Sie richtete sich auf und bewegte vorsichtig ihre Glieder. «Arzt? Warum einen Arzt?»
    «Sie hatten einen schweren Sturz, Mrs. Railton.»
    «Aber nein, ich bin nur etwas unsanft auf dem Boden gelandet, das ist alles. Sagen Sie ihnen, ich brauche keinen Arzt.»
    Er nickte und gab einem der Landarbeiter einen kurzen Befehl: «William - he, William, komm zurück... Wir brauchen keinen Doktor...»
    «Tut mir leid.» Sara war übel, und sie zitterte, aber sie war sicher, daß sie sich nicht ernsthaft verletzt hatte.
    «Sind Sie wirklich nicht verletzt, Mrs. Railton?»
    Sie lächelte. «Nein, bestimmt nicht. Wie heißen Sie?»
    «Berry. Bob Berry. Ich bin der Gutsaufseher hier.»
    Sie stellte plötzlich fest, daß sie sich auf seinen Arm stützte. Einer der Männer führte Turk am Zügel zurück. Das Pferd schien

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