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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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töricht ist», sagte Mildred geziert. Ihre sexuellen Erfahrungen mit Charles waren nicht so rosig. In den ersten Jahren war alles wunderbar und überwältigend gewesen, aber danach hatte sie sich nur noch unbehaglich und schuldbewußt gefühlt.
    Charlotte warf einen Blick in den Spiegel über dem Kamin, dann wandte sie ihr schönes Gesicht wieder ihrem Gast zu. «Auf dem Land liegen die Dinge anders. Denk an den General. Weder die Familie noch die Dienstboten sind ihm je auf die Schliche gekommen und dabei...»
    «Aber doch nicht Sara...»
    «Nein. Ich gebe dir ganz recht. Aber die Gefahr besteht, wenn sie so lange mit jungen Männern allein gelassen wird. Sie ist ungemein anziehend und noch so jung.» Ein wenig Neid schwang in Charlottes Stimme mit.
    In diesem Moment betrat Andrew den Salon. Er küßte beide Frauen, und Charlotte flüsterte ihm zu, daß ihr ältester Sohn Caspar im Arbeitszimmer auf ihn wartete. Sie lächelte. «Er hat gute Neuigkeiten.» Nach ein paar höflichen Worten zu Mildred entschuldigte sich Andrew und ging.
    Gott sei Dank, dachte er, die Neuigkeit war also gut. Andrew war der einzige Railton, der sich von Kindheit an zur See und zur Marine hingezogen fühlte. Er hatte gehofft, daß Caspar seine Leidenschaft erben würde, aber er war enttäuscht worden. Der Junge hatte die Armee vorgezogen und sich seit seinem zehnten Lebensjahr mit militärischen Dingen umgeben.
    Als Andrew sein Arbeitszimmer betrat, stand Caspar auf. Andrew lächelte aufmunternd, aber sein Anblick gab ihm einen kleinen Stich, denn ihm wurde plötzlich bewußt, daß Caspar nicht länger mehr ein Knabe war. Er wurde siebzehn nächste Woche und -sah auch so aus. Seine Haut war gröber, männlicher geworden, und seine Augen hatten die knabenhafte Sanftmut verloren.
    «Deine Mutter sagt mir, du hättest eine Neuigkeit für mich.»
    «Ja, Vater.» Er gab Andrew einen Umschlag, der an Caspar Railton adressiert war. Das Emblem verriet den Absender: die Königliche Militärakademie in Sandhurst.
    Andrew grunzte zufrieden. «Eigentlich brauche ich den Brief gar nicht zu lesen, nicht wahr? Du hast dein Eintrittsexamen bestanden.»
    «Ja, Vater. Im September gehe ich nach Sandhurst.»
    Andrew gab ihm die Hand, um ihm zu gratulieren, und bemerkte, daß der Händedruck seines Sohns kräftiger geworden war. Sie unterhielten sich einige Minuten, dann wandte Andrew seine Aufmerksamkeit den Briefen, die er in der Halle vorgefunden hatte, zu und sagte, er müsse sie lesen, bevor er sich zum Abendessen umzöge.
    Zuerst machte er zwei Rechnungen auf, dann den Brief von James (beide Jungens würden also zusammen in Sandhurst sein - keine schlechte Idee). Roy schrieb aus Wellington ein paar höfliche, kurze Zeilen. Der letzte Brief stammte von seinem Zwillingsbruder Rupert.
    Rupert und Roy waren in einem Abstand von sechs Stunden geboren; sie waren keine eineiigen Zwillinge, was den großen Unterschied in ihren Charakteren erklären mochte. Sie waren nun fünfzehn Jahre alt, gingen aber schon jetzt getrennte Wege. Roy wollte unbedingt Diplomat werden, wofür er auch äußerst geeignet war. Wie die meisten Railtons war er sprachbegabt. Rupert hingegen, den Andrew von seinen Kindern am meisten liebte, obwohl er dies nie zugeben oder zeigen würde, hatte mit der Familientradition gebrochen und war statt nach Wellington nach Osborne gegangen, wo er zwei Jahre geblieben und dann in die Marineakademie in Dartmouth eingetreten war. Ende des Jahres würde er die Akademie als Leutnant zur See verlassen und seinen Dienst auf einem Kriegsschiff antreten. Andrew war sich darüber klar, daß seine Vorliebe für Rupert hauptsächlich auf die Begeisterung des Jungen für die Marine zurückzuführen war.
    Andrew freute sich, daß seine Söhne so erfolgreich waren. Sein Leben konnte nicht besser sein. Und auch am politischen Horizont ballten sich keine Wolken.
    Andrew Railton erhob sich, ging in sein Schlafzimmer, um sich umzuziehen, und wartete auf den Gongschlag, der ihn zum Abendessen rief.
    James hatte zuviel gegessen, er stieß seinen Stuhl zurück und merkte, daß ihm schwindlig war. Er schrieb es dem Alkohol zu.
    «Ich weiß nicht, wie Ihnen zumute ist, Dick» - er grinste Dick Farthing etwas dümmlich an - «aber wenn ich mich morgen wie ein verdammter Adler in die Lüfte schwingen soll, dann geh ich wohl besser ins Bett.»
    Sara, die wie üblich die beiden Männer bei Portwein und Zigarren allein im Speisezimmer zurückgelassen hatte, lachte laut auf,

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