Eine ehrbare Familie
geblieben. Aber Martha war anders. Sie war früher einmal Hebamme und Krankenschwester gewesen. Nun, der Rest ergab sich von selbst. Der General machte ihr ein Kind. Billy ist mein Halbbruder. Aber er weiß es nicht. Die Familie hat eine Übereinkunft getroffen: Martha arbeitet weiterhin als Näherin, aber sie bekommt ein hohes Gehalt von uns und lebt mietfrei im Glebe Cottage. Wenn Billy erwachsen ist, und das wird nicht mehr lange dauern, werde ich mich auch um ihn kümmern. Martha hat nie eine Forderung gestellt und die ganze Zeit über geschwiegen.»
Später, nach James’ Fortgehen, sagte Sara, daß jemand ihr vorgeschlagen habe, zu Martha Crook zu gehen, wenn sie ein Kind haben wolle. «Warum sollte ich gerade zu ihr gehen, John?»
«Du hast schon eine Menge über das Landleben erfahren, und so weißt du auch, wie die Leute hier sind. All diese heidnischen Dinge wie Talismane, Zaubersprüche, der Glaube an Magie existieren noch heute dicht unter der christlichen Oberfläche. Martha hat einen gewissen Ruf als weise Frau, und vermutlich nützt sie das aus. Ich habe gehört, daß sie noch immer als Hebamme arbeitet, und die Frauen gehen zu ihr, wenn sie Kinder haben wollen - und gewiß auch, wenn sie sie loswerden wollen.»
«Mein Gott, John, das klingt alles so mittelalterlich. Wir leben schließlich im Jahre 1910.» Sara war ziemlich empört über die Geschichte vom General und Martha Crook. Und das Verhalten der Familie gegenüber Martha Crook mißfiel ihr. Auch fand sie, daß Billy eine gute Ausbildung verdiene.
«Auf dem Land ist alles anders, Sara, du solltest sie einmal aufsuchen.»
Und da sie schon beim Thema waren, beschloß John, Saras Streit mit dem Gutsverwalter zur Sprache zu bringen. «Ich höre, du hast Hunter untersagt, Fußangeln zu legen», sagte er beiläufig, ohne zu ahnen, was für einen Sturm er entfesseln würde.
Sara sah ihn mit blitzenden Augen an. «Ja, John. Ich wollte mit dir über Hunter reden. Der Mann ist wie ein bösartiges Tier. Du mußt ihn entlassen!»
«Entlassen? Er ist unersetzbar. Er war des Generals engster Vertrauter.»
«Er ist pervers, ein Monstrum, der nur noch nicht verhaftet und eingesperrt ist, weil du ihn schützt.»
«Sara!» John Railton war über die Heftigkeit seiner Frau zutiefst bestürzt. Obwohl er wußte, daß sie recht hatte. Hunter war vieles oft nachgesehen worden. «Jemand hat dir etwas erzählt...»
«Ja. Es ist wie mit Martha Crook und deinem Halbbruder Billy — eine dunkle Geschichte, von der nur die Familie weiß. Er ist ein Verbrecher, und ihr alle deckt ihn, nur weil er des Generals Vertrauter war und ein tüchtiger Gutsverwalter ist. Aber der Mann ist von Grund auf verderbt und meint, er könne sich alles erlauben.»
«Sara, Fußangeln legen ist auf dem Land gang und gäbe. Wir müssen das Wild schützen...»
«Es sind nicht nur die Fußangeln. Es handelt sich um den Mann selbst. Ich lebe hier die meiste Zeit, und ich will nicht, daß er länger auf dem Gut arbeitet!»
John fragte sie, was sie über Hunter wisse und von wem sie es erfahren hatte.
Sie setzte sich aufrecht hin, ihre Züge verhärteten sich. Und John begriff zum ersten Mal, wie sehr die wenigen Wochen in Redhill sie verändert hatten. «Hunter hat vor einigen Tagen den alten Natter angeschrien, in meiner Gegenwart. Ich fand es unerhört! Dazu war es auch noch unberechtigt. Aber Hunter ist ein frecher, respektloser Bursche. Als Hunter fortritt, habe ich gehört, was Natter vor sich hinmurmelte. Ich habe den Sinn nicht ganz verstanden und James gefragt. Er hat mir alles erklärt. Es war ihm furchtbar peinlich. Ich bin sicher, John, daß dein Sohn und mehrere andere Leute es nicht gerne sehen, daß du einen Mann beschäftigst, der blutjunge Mädchen und Knaben ins Glebe-Haus lockt und sich dort an ihnen vergeht. Und du, John, beschützt ihn! Und das finde ich unverzeihlich.»
John mußte sich zugeben, daß seine Frau im Recht war. Der General hatte seltsame Ansichten. Für ihn war Hunters perverse Neigung nur eine Art von Verschrobenheit gewesen. Aber John wußte sehr wohl, daß Hunter gegen die göttlichen wie die menschlichen Gesetze verstieß. Es war einfach so, daß die männlichen Mitglieder der Railton-Familie sich mit Hunter abgefunden hatten, ohne weiter über seine Abartigkeit nachzudenken.
«Und durch wen soll ich ihn ersetzen, falls ich ihn wirklich entlasse?» fragte John schließlich.
«Ganz einfach, durch Bob Berry. Er ist ein ausgezeichneter Mann. Er
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