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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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hinter sich schloß: «Charles, der König ist krank.»
    «Krank? Zu viel Wein? Er kommt doch gerade aus Biarritz zurück, wo er sich sicher nicht gelangweilt hat.»
    «Lassen Sie die Scherze!» fuhr Kell ihn an. «Diesmal ist es ernst.» Bevor er weitersprechen konnte, klingelte das Telefon.
    «Könnten Sie sofort nach Eccleston Square kommen?» fragte Giles ruhig am anderen Ende der Leitung.
    Vernon Kell fand Giles Railton im «Versteck» vor. «Haben Sie die Neuigkeit schon gehört?»
    «Der König?»    
    «Ja, bald wird die Öffentlichkeit es erfahren.»
    «Ist es wirklich so ernst?»
    «Ja, sehr. Offensichtlich ging es ihm schon auf der Reise nicht gut. Der König liegt im Sterben. Und wir müssen nachdenken, was das für die europäische Politik bedeutet. Ich kann nicht verhehlen, daß ich mir große Sorgen mache. Europa ist in Aufruhr, und niemand scheint den Ernst der Lage zu begreifen. Sogar unsere Arbeiter sind rebellisch, nicht so rebellisch wie in anderen Ländern, aber wenn wir nicht aufpassen, greift die Stimmung zu uns über.»
    Die beiden Männer redeten länger als drei Stunden miteinander, und Kell hatte einige sehr schwerwiegende Themen im Kopf, die er unbedingt mit Charles und Quinn besprechen wollte.
    Giles hatte sich am Morgen mit seinem Neffen John getroffen, und sie hatten ebenfalls lange über die komplizierte internationale Lage diskutiert, obwohl John mehr daran interessiert war, über seine Frau zu reden. «Ich finde es fast unverständlich, Onkel Giles. Als der General starb, hat sie die Idee, ständig auf dem Land leben zu müssen, einfach unerträglich gefunden. Aber schon nach ein paar Wochen hat sie sich völlig eingelebt.»
    Giles sagte, das wundere ihn gar nicht. «Bei deiner Mutter war es genauso. Dieses Haus übt eine seltsame Anziehung auf Frauen aus.»
    Aber im stillen wunderte auch er sich. Redhill - das Herrenhaus, das Gut - war wie eine neue Liebesgeschichte für Sara. Die Zeit würde zeigen, wie sich alles weiterentwickelte. Mittlerweile aber lief das Stundenglas für den König aus.
    Zwei Tage später, am Abend des 5. Mai, wußte das ganze Land, daß König Eduard VII. schwer erkrankt war.
    Die Königin bat des Königs treue Gefährtin und Mätresse, Mrs. Keppel, in den Buckingham Palace zu kommen. Der König arbeitete sogar noch an seinem letzten Tag. Gelegentlich bekam er Ohnmachtsanfälle und wurde mit Sauerstoff behandelt.
    Am Nachmittag des 6. Mai verlor Eduard VII. das Bewußtsein. Eine schweigende Menge versammelte sich vor dem Palast.
    Kurz nach Mitternacht klopfte es an der Tür von South Audley Street.
    Mildred erwachte und fragte, wer es sei. Ein junges Dienstmädchen sagte ihr, ein Herr wünsche Mr. Railton zu sprechen.
    Es war Sprogitt, er stand linkisch in der Halle. «Sir», flüsterte er, «Seine Majestät ist vor einer Viertelstunde verschieden. Captain Kell bittet, daß Sie sofort ins Büro kommen möchten. Er hat das Gefühl, daß der Tod des Monarchen die nationale Sicherheit gefährdet.»
    Charles nickte. Der «Onkel Europas» war im Alter von neunundsechzig Jahren gestorben. Charles begriff noch nicht, daß dies das Ende einer Epoche war. Auch wußte er nicht, daß seine Arbeit bald gefährlich werden würde.
    Die Informationen, die der «Fischer» zurückbrachte, waren präzise formuliert, doch für Steinhauer von keinem großen Interesse - mit Ausnahme des Namens Railton. Er hatte ihn schon früher gehört, konnte ihn aber nicht genau einordnen. Der Name war dem «Fischer» von dem Iren O’Connell gegeben worden, der sich damit brüstete, einen privaten Informanten namens Railton zur Hand zu haben. Ein Engländer, der in Irland lebte und engverwandt war mit einer bekannten englischen Familie.
    Steinhauer arbeitete noch immer in der Wilhelmstraße, und seine neuen Vorgesetzten beschäftigten auch einige Leute im Auswärtigen Amt, aber der Hauptsitz des Geheimdienstes befand sich im Westen der Stadt in der Courbierrestraße und war allgemein als Nummer 8 bekannt. Einen Tag nach der Rückkehr des «Fischers» wurde Steinhauer von Major Nicolai nach «Nummer 8» gerufen. Nicolai erschien in Begleitung einer bildhübschen, schlanken Blondine. «Ach, Steinhauer», sagte der Major betont jovial, «darf ich Ihnen eine der Damen vorstellen, die wir hier ausbilden.» Er erwähnte keinen Namen, aber die junge Frau errötete, als Steinhauer ihr die Hand küßte. Nicolai lächelte sie an und sagte, er würde sie später sehen. Darauf möcht’ ich wetten,

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