Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
Vom Netzwerk:
Straßenecke aus und legte das letzte Stück zu Fuß zurück. Mrs. Drood erwartete ihn, zum Ausgehen bereit. «Ich spiele Bridge heute abend», teilte sie ihm in einem Tonfall mit, als sei Bridgespielen eine intellektuelle Höchstleistung, die nur wenigen vergönnt war. «Ich werde, wie Sie angeordnet haben, um Mitternacht wieder hier sein. Ein kaltes Mahl steht in der Küche bereit.»
    Madeline wartete im Wohnzimmer. Sie lächelte, als sie die Tür hinter Mrs. Drood zufallen hörte. »Warum sagt sie ; statt wie alle anderen «kaltes Abendessen> zu sagen?»
    Charles erklärte ihr, daß Mrs. Droods Vater ein Bischof gewesen sei. Madeline grinste und ging nach oben, während er versuchte, Mrs. Droods «kaltes Mahl» etwas appetitanregender zu arrangieren.
    Er öffnete eine der Champagnerflaschen, goß zwei Gläser voll und rief Madeline. Sie erschien auf der Treppe in einem beigebraunen seidenen Kimono. Ein Hauch von Parfüm ging von ihr aus. Französisch und teuer, dachte Charles.
    «Oh, Champagner!» Sie hob das Glas, nahm einen Schluck, ging nahe an ihn heran, legte eine Hand auf seine Schulter und wies mit der anderen auf die Treppe. «Ich habe die Vorhänge vorgezogen, und das Licht im Schlafzimmer brennt schon seit einer Stunde.» Sie sah ihm prüfend ins Gesicht, dann lächelte sie. «Können wir die verbotenen Früchte zuerst haben?»
    Als er nackt im Bett lag, glitt sie aus dem Kimono, unter dem sie schwarzseidene, spitzenbesetzte Unterwäsche trug. Charles war zu seinem eigenen Erstaunen schockiert, aber auch überrascht, denn ihr Anblick in dieser Aufmachung erhöhte noch sein Verlangen. Es war eine neue Erfahrung für ihn, denn Mildred hatte sich immer im Badezimmer ausgezogen.
    Es wurde bald offenbar, daß Madeline trotz ihrer eigenen Unerfahrenheit eine Menge über Schlafzimmer-Künste gehört haben mußte. Sie tat Dinge, nach denen Charles sich oft mit schlechtem Gewissen gesehnt, es aber für unwahrscheinlich gehalten hatte, sie je selbst zu erfahren. Er wußte, sie würde die große Liebe seines Lebens sein, gleichzeitig erinnerte er sich an die ersten glücklichen Jahre mit Mildred. Doch Madeline Drew tilgte alle früheren Erinnerungen aus seinem Gedächtnis.
    Während der nächsten Woche, bevor Madeline ihre endgültigen Instruktionen erhalten hatte und scharf überwacht zu ihrer Tante nach Coventry geschickt wurde, liebten sie sich so oft wie möglich-sogar während sie arbeiteten.
    Ihre Beziehung wurde täglich enger, erfüllte ihrer beider Geist und Körper. Und in Madelines Arme kehrte er auch zurück, als er von Caspars Verwundung erfuhr. Er machte lediglich einen Umweg über die King Street, um Andrew und Charlotte sein Mitgefühl zu bekunden.
    «Ich muß gestehen, ich fürchte mich vor dem Augenblick, wenn man ihn aus dem Zug trägt», hatte Andrew zu ihm gesagt, als sie zur Tür gingen. Charlotte hatte kaum gesprochen. Sie war stark gepudert, um die Tränenspuren zu verdecken.
    Am folgenden Abend ging Giles Railton zu später Stunde in die King Street, um Andrew und Charlotte zu besuchen und sich nach seinem Enkel zu erkundigen. Caspar war inzwischen in London angekommen. Andrew hatte drei Stunden lang auf die Ankunft des Lazarettzuges gewartet.
    Giles blickte Andrew an, als versuche er, ein Fenster zu seiner Seele zu finden, und erkundigte sich in dem kalten, präzisen Tonfall, den viele Menschen fürchten gelernt hatten, schonungslos nach jedem Detail. Er kannte seinen Sohn und wußte, daß sich hinter der strengen, schweigenden Fassade ein mitfühlendes Herz verbarg.
    Und so erkannte Giles, der einen fast unheimlichen Instinkt für die Wahrheit hatte, jetzt auch, daß die Verstümmelung seines Sohnes Andrew tief getroffen hatte. Er kündigte Charlotte für den folgenden Nachmittag den Besuch seiner Enkelin Denise an. «Du kannst sie um jede Art von Hilfe bitten, die du brauchst, Charlotte.» Seine Einstellung dem jungen Mädchen gegenüber war fast rüde zu nennen, aber Denise hatte in der kurzen Zeit in seinem Haus bewiesen, daß sie sehr tüchtig war.
    Caspar befand sich, soweit man es beurteilen konnte, außer Lebensgefahr und lag in einem Londoner Krankenhaus.
    Giles versprach, Caspar so bald wie möglich zu besuchen. Tatsächlich fand er aber erst Ende des Monats Zeit, ins Krankenhaus zu gehen.
    Inzwischen gab Vernon Kell Charles weiterhin Anweisungen, wie er mit Madeline Drew umgehen sollte, ohne sich jedoch der tiefen Gefühle der beiden füreinander gewahr zu werden.

Weitere Kostenlose Bücher