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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gardener
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würde ihn verstehen. «Es schien mir eine reine Familienangelegenheit zu sein, und ich habe Onkel Giles gesagt, daß Sie von der Sache nichts wüßten. Er hat mich einen Idioten genannt, womit er vermutlich recht hat.»
    Kell dachte längere Zeit nach, und als er endlich sprach, sah er Charles nicht an. «Genau genommen war es idiotisch. Sie hätten es in Ihrem Bericht erwähnen müssen. Deshalb liegt es jetzt allein bei Ihnen, die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Wann treffen Sie das Mädchen wieder?»
    «Morgen.»
    «In Coventry?»
    «Ja, am üblichen Ort.»
    «Versuchen Sie, das Mädchen nach London zu bestellen. Um Giles Railton werde ich mich kümmern. Wenn er die sehen will, muß er nach unserer Musik tanzen.»
    Seit Madeline Drew nach Coventry gefahren war, hatte man sich auf verschiedene Codenamen geeinigt. Mr. Rathbone - Charles -hieß «Anton», weil Madeline unter dem Namen «Möwe» geführt wurde. Charles hatte sich für die Werke von Anton Tschechow begeistert und sich vor zwei Jahren eine Aufführung der Möwe angesehen. Daher die Codenamen. Doch hier endeten die literarischen Assoziationen, denn die Überwachungs- und Sammelaktionen liefen unter dem Namen «Regenvogel» und die erhaltenen Informationen unter «Gold».
    Als Madeline zu ihrer Tante nach Coventry zog, bezogen auch die Überwacher ihre Posten und warteten auf das Signal, daß jemand Kontakt aufgenommen hatte. Zwei Wochen lang geschah nichts. Dann, eines Morgens, als Charles mit hundert anderen Dingen beschäftigt war, erreichte ihn eine Nachricht, und er begab sich eilends nach Coventry.
    Ein Hotelzimmer wurde für ihn bestellt, und Brian Wood erwartete ihn. Wood hatte beschlossen, sich von der Wachmannschaft fernzuhalten, da er der Verbindungsmann zu Charles war. «Heute morgen», sagte er geheimnisvoll, «ist es passiert. Sie kam ungefähr um halb elf Uhr heraus, kramte in ihrer Handtasche herum und ließ wie verabredet einen Handschuh fallen.»
    «Sie sind der Sache nachgegangen?»
    «Sie werden sie heute abend um sechs Uhr treffen, in einem Haus in der Nähe der Kathedrale. Es ist zwar eine Absteige, aber dafür ungefährlich. Die Besitzerin wird denken, Sie seien einer der vielen verheirateten Männer, die auf ein Abenteuer aus sind.»
    «Und die Absicherung?»
    «Alles in Ordnung. Sie nimmt einen bestimmten Weg. Wir haben ein Telefon installiert.» Er nannte die Nummer. «Wenn der untere Teil des Schiebefensters offensteht, weiß sie, daß sie unbesorgt heraufkommen kann. Wenn das Fenster zu ist, heißt es: abhauen. Eine Stunde später versucht sie’s dann noch mal. Wenn das nicht klappt, ist Schluß für heute, und wir versuchen’s morgen wieder.»
    Charles war noch nie im Schlafzimmer einer Prostituierten, aber die Einrichtung entsprach genau seiner Vorstellung: viel Plüsch, Spitzendeckchen auf dem Kaminsims, ein weißgekleidetes Püppchen, das die Augen schloß, wenn man es auf den Rücken legte, ein Toilettentisch voller Fläschchen und Tiegel, ein breites Messingbett mit einem Kissen, auf dem «Ruhe sanft» gestickt war.
    Das Zimmer roch muffig, und Charles öffnete eilig das Fenster. Das neue Telefon, das wie ein futuristischer mechanischer Mann aussah, der in seiner gebogenen Klaue eine Keule hielt, stand fast anklagend auf dem Toilettentisch. Es klingelte genau zehn Minuten vor sechs.
    «Alles klar», sagte Wood am anderen Ende.
    Charles setzte sich in den üppig gepolsterten Sessel und wartete. Sie kam pünktlich um sechs. Berlin, dachte er, hat sie gut ausgebildet.
    Sie ging auf ihn zu, ihre Wange war kalt, ihr Atem warm an seinem Ohr. Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte: «Oh, Charles, es scheint eine Ewigkeit herzusein, ich habe mich so nach dir gesehnt.» Dann hob sie den Kopf von seiner Schulter und küßte ihn mit unverhohlener Begierde.
    Sie war wie eine fleischfressende, wunderschöne Blume, und Charles wie ihr Insekten-Opfer, unfähig, ihr zu widerstehen.
    Atemlos ließen sie voneinander, und er fragte sie, ob sie Neues für ihn habe. Schmollend antwortete sie, ja, natürlich hätte sie das. Die Deutschen hätten sich mit ihr in Verbindung gesetzt. Doch noch während sie sprach, kleidete sie sich aus.
    Charles blieb keine andere Wahl, als das gleiche zu tun, und kurz darauf lagen sie beide in dem großen Messingbett.
    Nachdem beide erschöpft, aber befriedigt nebeneinander lagen, fragte Charles sie nach ihrem Bericht. Sie sah ihn schalkhaft an. «Wir wollten es uns zur Regel machen, mindestens

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