Eine eigene Frau
der gute Sakari sich erstklassig gekümmert, so gut sogar, dass nun geheiratet werden muss. Da wird mit dicker Hose dem Rock hinterhergerannt, aber für die Sorgen der anderen ist man taub. Andere wollen wenigstens auf was hinaus, geben sich ernsthaft Mühe, etwas an dieser schlechten Welt zu ändern.
Sakari erklärt mit strikten Worten, sein Bruder tue gut daran, ihn mit Frauenangelegenheiten in Frieden zu lassen.
Vom Horizont her kracht das Gewitter los. Die Brüder rühren sich nicht von der Stelle, der Regen prasselt auf sie nieder, bald sind Hosenbeine und Schuhe mit Schlammspritzern übersät. Beiden fällt es schwer, als Erster nachzugeben und den Platz zu verlassen. Vergebens ruft ihnen der Vorarbeiter vom Trockenen aus zu, es sei Zeit für eine Pause.
Sakari sieht seinen klitschnassen kleinen Bruder an. Die Hutkrempe lenkt das Wasser auf die Brust wie eine eigens dafür konstruierte Rinne. Durch das Hemd, das an der Haut klebt, erkennt Sakari die bewegliche Reihe der Rippen, er registriert den dank der miserablen Hebamme hervorstehenden Nabel, den man früher nur erwähnen musste, um Viki rasend zu machen.
»Nach Amerika. Mit dem Nabel. Da werden die gleich fragen, ob er auch seine Mama mitgebracht hat.«
»Aber sie werden nicht sagen, dass sich Viki Salin alles gefallen lässt, egal wo er herkommt oder hingeht.«
Ich werde Sehnsucht nach ihm haben, denkt Sakari, ich werde eine gottverdammte Sehnsucht haben. Wie kann ich nur so abhängig von meinem Bruder sein und dieser kein bisschen von mir?
Sakari sagt, ihm falle gerade auf, dass ein Gewitter in der Luft liege. Ob der Bruder das auch schon gemerkt habe.
Viki sagt, er werde aus Amerika zurückkehren, sobald er genug Geld habe, um sich nicht mehr von Dummköpfen beschimpfen lassen zu müssen.
Er kommt wieder, natürlich kommt er wieder, wenn er nicht unterwegs ertrinkt oder von einem Wolkenkratzer fällt. Mehr als einmal hat man das gesehen, wie die Kerle aus Amerika zurückgekehrt sind. Die Mutter weiß natürlich nichts?
Nein, aber Viki hat sich gedacht, vielleicht könnte Sakari es ihr erzählen. Also im Nachhinein. Weil Viki nämlich nicht Zeuge einer zweiten Sintflut werden will.
»Ich sag es ihr garantiert nicht, verdammt noch mal, das brauchst du dir gar nicht erst einzubilden!«
Durch das Regenwasser bildet sich zwischen ihnen ein Bach, der Späne und lose Erde mitreißt, unmittelbar über ihnen zuckt ein Blitz.
»Man kann nur hoffen, dass es nicht in einem Bretterstapel einschlägt.«
»Hättest du die Stapel halt nicht so hoch gemacht.«
Er wird fortgehen, der kleine Bruder, daran ist nichts zu ändern. Die Trauer des Verlusts versetzt Sakari einen Stich. Ihm schießt eine flüchtige Erinnerung durch den Kopf, eine, die ebenfalls mit nassen Schuhen zu tun hat, mit Pfützen, mit spritzendem Wasser, mit seinem Bruder und ihm. Er wendet sich ab und geht davon.
»Was soll ich mich hier wegen dir aufweichen lassen«, sagt er. »Hau halt ab, verdammt!«
Den ganzen Nachmittag und Abend über hält der starke Regen an, die Säge steht, die Arbeiter werden nach Hause geschickt. Für kurze Zeit lebt Sakari in der lächerlichen Hoffnung, Viki könne sich im Regen erkältet haben, aber dann begreift er, dass auch das den Bruder nicht davon abhalten würde, seine Drohung wahrzumachen.
Ob Viki wenigstens vorhabe, zur Hochzeit zu kommen, fragt Sakari später, als er am Küchenfenster heißen Kaffee schlürft, während er gerührt beobachtet, wie Seelia sich im strömenden Regen mühsam auf die Mietskaserne zubewegt.
Natürlich komme er, diese Junggesellenbeerdigung wolle er sich nicht entgehen lassen. Viki lächelt erleichtert wie einer, dem die Sünden vergeben worden sind.
Durch das Fenster nickt Sakari Seelia zu, die inzwischen bis zur Eingangstreppe vorgedrungen ist. Er ist froh, Viki nicht seine Not verraten zu haben, sein Entsetzen über den Verlust, das ihm jetzt bereits fern erscheint, unpassend und albern. Schließlich hat er seine Frau und das Kind in ihrem Bauch.
Na klar kommt er ohne Bruder zurecht, warum auch nicht?
Joel, 19
Vartsala, Dezember 1903
»He, Schwellkopf … guck mal her … Schwellkopf …«
»Was ärgert ihr mir den Kustaa wieder, zum Donnerwetter!«
Ohne sich um Joels Eingreifen zu kümmern, macht der Junge einen neuen Schneeball und zielt damit auf die Gestalt, die sich neben dem Geländer duckt. Zwischen grauen Fausthandschuhen starren erschrockene Augen hervor, der riesige Kopf ist fleckig vom
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