Eine eigene Frau
es nicht leugnen. Was hätte das für einen Sinn, wo er selbst mit Brandreden für einen Genossenschaftshandel der Arbeiter im Dorf eingetreten ist. Er versteht die Angst des alten Mannes um sein Geschäft und seine Befürchtung, der Dorfladen werde ihm über kurz oder lang den Broterwerb streitig machen.
Was auch der Fall sein wird, falls alles planmäßig vonstattengeht.
Dann versichert Joel mit klarem Blick, für Frans Vatanens listig und gut zusammengestelltes Sortiment mit seinen reellen Preisen werde sich schwerlich ein ernsthafter Konkurrent finden.
Der Alte lässt sich von der durchschaubaren Schmeichelei des jungen Mannes nicht vom Selbstmitleid und den Gedanken an den unvermeidlichen Untergang abbringen. Rachsüchtig verheißt er den Dorfbewohnern und allen anderen, die vom Genossenschaftsladen verhext sind, eine düstere Zukunft.
Ihr werdet es erleben! Man weiß schon, dass der Patron jeden Einzelnen entlassen wird, der in den Laden rennt.
So lauten in der Tat die Gerüchte, und Joel muss zugeben, dass der Anfang nicht gut aussieht. Auch wieder so ein bedauerlicher Rückschlag unter all den Neuerungsversuchen, die einer nach dem anderen gescheitert sind: Unter großer Mühe und mit viel Aufhebens gründet man einen Genossenschaftshandel, schluckt untertänigst die Ablehnung der Statuten durch den kleinlichen Gouverneur Ihrer Kaiserlichen Majestät, stellt neue Statuten auf, aber dann verlieren sogar die Unterzeichner der Gründungsurkunde den Mumm, weil ernsthaft die Angst vorm Zorn des Patrons umgeht. Als der erbärmliche Laden schließlich zustande gekommen ist, und Fräulein Minni Wiberg, die gut beleumdet ist und über Erfahrung als Aushilfe im Genossenschaftshandel verfügt, von morgens um sieben bis abends um acht für einen Hungerlohn hinter der Theke steht, trauen sich auch die wildesten Eiferer nur im Dunkeln hinzuschleichen, um ihre Einkäufe zu machen.
»Was sagt ihr dann, ihr Burschen, wenn es brenzlig wird?«
Der Alte tritt um die Kufen herum den Schnee beiseite. Es ist klar, dass er es nicht vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause schaffen wird. Aber das scheint ihn nicht annähernd so zu beunruhigen wie die schwarze Zukunft derjenigen, die den Genossenschaftsladen bevorzugen.
Joel meint, er werde dann eben sein Bündel schnüren müssen, so wie alle anderen, die keine Arbeit mehr haben. Kustaa schweigt. Joel weiß, dass die malträtierten Mägde und die schönen Kontoristinnen in den Leseheften längst in hoffnungslose Ferne gerückt sind, darum spricht er aus, was er im Sinn hat:
»Ich kann nicht glauben, dass der Patron eine Hetzjagd veranstalten wird. Könnte es sein, dass bloß ein armer Teufel, der auf sein Geschäft bedacht ist, den Dorfbewohnern so einen Blödsinn eintrichtert?«
Joel versucht den Blick des Alten zu erwischen, aber der lässt den Kopf im Kragen seines Lammfellmantels verschwinden. Der junge Mann kommt auf den Gedanken, die Verkaufsfahrt des Frans Vatanen ins Dorf Vartsala als unvergessliches Ereignis in seinem Tagebuch zu notieren. Aber was ist das schon für ein Tagebuch? Bloß ein Heft mit blauem Umschlag, das er am Eröffnungstag im Genossenschaftsladen gekauft hat.
Joel erinnert sich, wie er damals bereits über eine Woche unter einem Kater gelitten hatte, nachdem er einem englischen Seemann bitteren Branntwein abgekauft und mit seinem Freund Sakari Salin im Wäldchen neben dem Tanzboden in Salo die ganze Flasche geleert hatte.
Die Fahrt nach Salo war Joels Idee gewesen. Sakari konnte nicht tanzen und hatte auch nicht vor, es zu lernen. Der Tanzboden interessierte ihn trotzdem, denn dort gab es Mädchen, und der große, dunkle Sakari kam gut bei ihnen an. Dem schmächtigen Joel mit den fahlblonden Haaren schenkten die Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts so gut wie keine Aufmerksamkeit, aber an seinen Tanzkünsten war nichts auszusetzen. Seine drei älteren Schwestern hatten ihm alle nötigen Schritte beigebracht. Allerdings musste er sich erst vollständig betrinken, bevor er es wagte, sich vor dem erstbesten dicken Mädchen zu verneigen.
Die dunkle Mollige schüttelte den Kopf. Joel machte seinen Diener vor der Nächsten und dann vor der Übernächsten. Mit dem gleichen Resultat. Trotzdem machte er weiter. Ein Mädchen nach dem anderen lehnte ab, manche kichernd, andere ohne ihre Abscheu zu verbergen. Schließlich packte Sakari ihn am Arm und schlug grimmig vor, sich zu verziehen, aber Joel fuhr mit seltsamem Genuss fort, sich zu blamieren. Er
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