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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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blieb vor jeder einzelnen jungen Dame stehen, verbeugte sich und bekam seine Abfuhr. Als Letztes stand ein wunderbares Mädchen mit welligen Haaren in der Reihe, ein vollkommener Engel. Ihre Schönheit verwandelte den letzten Hoffnungsfunken des Betrunkenen im Nu in Selbstsicherheit. Joel baute sich vor ihr auf und verneigte sich so tief, dass er fast vornübergefallen wäre:
    »Darf ich bitten?«
    Das Mädchen wandte verächtlich den Kopf ab. Natürlich. Auch sie hatte die Wacholderschnapsfahne gerochen.
    »Nein, das darf das Fräulein mir nicht antun.«
    Das Mädchen verstand kaum, was er lallte.
    »Verschwinde!«
    Aber Joel verschwand nicht. Zum Teil auch weil ihm seine Beine nicht mehr gehorchten.
    »Nein, so ein schönes Fräulein darf nicht so unfreundlich sein«, sagte Joel. Oder glaubte er jedenfalls gesagt zu haben. »Nicht auch noch du. Ich sehe doch, dass du nicht so ein Herdentier bist wie die anderen. Die weigern sich bloß, weil die anderen es getan haben, sie trauen sich nicht, frei zu sein. Du bist es. Ich bitte dich. Ich flehe dich an.«
    Und das tat er wirklich. Er bat schließlich auf Knien um ihre Gunst. Seine Beine trugen ihn inzwischen nicht mehr, aber nicht einmal das konnte ihn entmutigen. Er streckte die Arme nach dem Mädchen aus und versuchte weiter es zu erweichen, mit Worten, die in seinen eigenen Ohren etwa so klangen:
    »Ein einziger Tanz, ich bitte dich. Ein klitzekleines Tänzchen. Ist das zu viel verlangt? Bestimmt hast du ein goldenes Herz. Es muss so golden sein wie dein gewelltes Haar. Was für ein Ungemach kann ein einziger kleiner Tanz einem Mädchen mit einem so goldenen Herzen denn bereiten? Begreifst du nicht, was das einem von der Arbeit und vom Seewind ausgezehrten armen Teufel bedeuten würde? Wenn du mir einen winzigen Tanz gönnst, dann würde mich dieser Tanz in die höchsten Höhen emportragen, weg von diesem mit Kartoffelmehl bestreuten Parkett, dem Himmelszelt entgegen, und dort, du Mädchen mit dem Goldhaar, würden sich unsere Seelen dann vereinigen. Im Blau des Universums, meine ich, verstehst du? Die Erinnerung an einen solchen Tanz würde ich Tag für Tag hegen, wenn ich die immer gleichen verfluchten Stämme und Bretter schleppe. Ja, bis ins Grab hinein würde ich mich an deine herrlichen wiegenden Hüften erinnern. Und nach diesem einen einzigen Tanz, wäre ich zu allem fähig, ich würde mir die Last auf die Schultern laden, die der Mensch in diesem Leben zu tragen hat. Und ich würde es nicht mehr tausendmal verfluchen, ja nicht ein einziges Mal mehr … Ich meine, ich würde weder das Leben noch die Last verfluchen. Werde du, Goldmädchen, meine Last, dann trage ich dich ins Paradies!«
    Erschrocken blickte sich das arme Mädchen nach allen Seiten um. Es war Joel gelungen, sie so in die Ecke zu treiben, dass sie keine Chance mehr hatte, dem vor ihr auf den Knien schwankenden Jungen zu entkommen.
    »Genau diese Last ist es, die meine Beine aus dem Gleichgewicht gebracht hat, nicht der Schnaps. Hast du geglaubt, mein armes Kleines, ich hätte getrunken? Hast du womöglich geglaubt, ich wäre sturzbesoffen? Falls du das geglaubt haben solltest, so sollst du wissen, dass du dich geirrt hast. Hört alle her, dieses Mädchen hier hat sich geirrt! Du brauchst dich nicht zu schämen und auch nicht um Verzeihung bitten. Ich verzeihe dir. Natürlich verzeihe ich dir, immer werde ich das tun. Zweifellos mag ich ein wenig berauscht wirken, aber die Wahrheit lautet, dass ich nur unter der tödlich schweren Last des Lebens schwanke …«
    Joels Litanei wurde schließlich mit Gewalt unterbrochen. Sakari war es gelungen, nur wenige Augenblicke vor den anderen Männern zu Joel zu eilen. Fluchend und schimpfend zerrte er ihn aus dem Saal.
    »Ist dir verdammtem Trottel eigentlich klar, wie wenig gefehlt hat, dass du eine aufs Maul bekommen hättest?«
    Sakari war wütend, was äußerst selten vorkam. Warum um Himmels willen hatte Joel vor dem Mädchen unbedingt im Suff wirres Zeug stammeln und sich an ihren Rockschoß klammern müssen? Was war eigentlich mit ihm los?
    Darauf wusste Joel damals nicht zu antworten und auch später nicht. Nachdem er den nächsten Tag überstanden hatte, begriff er allerdings, wie sehr er sich blamiert hatte. Dennoch musste er auch später noch oft an das Mädchen mit den gewellten Haaren denken, wenn er in einsamen Stunden die Hand in den Hosenschlitz schob. Die Erinnerung an die verächtlichen Augen und die abwehrende Berührung der von einem

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