Eine eigene Frau
Voller Kraft greifen die Hände des Sonntagskindes Saida nach dem Schwert, umklammern seinen Griff, denn gleich muss dieses Flammenschwert mit einem Hieb den Vorhang zwischen ihr und den Weibern von Bethlehem durchtrennen. Und wenn sie das sehen, werden jene Weiber sehr erschrecken, auf die Knie sinken und um ihr Leben beten.
Und der himmlische Engel muss die Übeltäterin begnadigen und sagen: Gehe hin und sündige nicht mehr. Dem anderen Weib aber, der Mutter, verkündet er: Du sollst mit mir kommen und dich freuen mit mir bis ans Ende deiner Tage, und diese werden nie enden …
Die Verhandlung zwischen Emma und Agnes wird von einem lauten Poltern aus dem Zimmer unterbrochen. Erschrocken öffnet Emma die Tür und sieht das Kind auf dem Fußboden liegen.
»Gott behüte! Saida? Liebes Kind. Was ist mit dir?«
»Mal sehen. Hm … Scheint nur die Wirkung des Pulvers zu sein. Sie wird sich schon wieder erholen. Und jetzt aufstehen.«
»Oh mein Gott …«
Gestützt von beiden Frauen kommt Saida mühsam auf die Beine. Agnes legt ihr die Hand auf den Hals, wie um sie abzuhören.
»Keine Sorge«, sagt sie, als sie loslässt. »Hauptsache sie hat keine Schmerzen und kann in der Nacht schlafen.«
Emma ist erleichtert zu sehen, dass sich das Mädchen auf den Beinen halten kann, aber als sie nun etwas sagen will, ist ihre Stimme nahe daran zu brechen.
»Und was ist jetzt mit meinem Anliegen …?«
Agnes wendet ihr den Rücken zu.
»Was soll ich mit diesen Menschen machen?«, sagt sie zum Bild ihres Mannes. »Sag mir das mal!«
Saida schwankt leicht beim Stehen. Der Wind ist über sie hinweggefahren, der Engel nicht mehr da. Und der Wind hat auch das Flammenschwert mitgenommen. Saida hat all das bereits aus ihrem Inneren verbannt. Vollkommen ruhig und gleichgültig betrachtet sie die verkrampfte und verweinte Mutter und den wütenden Marsch der Frau Jonsson zur Vitrine. Die Alte nimmt eine kleine Flasche heraus und gibt etwas braunes Zeug auf einen Löffel. Sie reicht ihn der Mutter.
»Jetzt wartet die Frau Harjula bis heute Abend und kommt dann wieder her!«
Der Dank der Mutter klingt hauchdünn, wie das Zirpen eines scheuen Vogels. Für Saida ist alles, was die Frauen sprechen, bloß noch fernes Rauschen, wie Wind, der die Baumkronen schwanken lässt. Sie starrt auf die Gesichter der beiden ohne Neugier und Interesse, als wären es fremde Menschen, die sie noch nie zuvor gesehen hat.
»Das wird schon irgendwie vergolten werden, das wird bezahlt, doch, doch«, beteuert Emma.
»Diese Art von Bezahlung kenne ich«, murrt Agnes.
Das Gesicht der alten Frau ist verschlossen und streng. Sie bückt sich, um noch einen Blick auf Saidas Bein zu werfen. Ihr Atem riecht so stechend sauer wie ein fauler Apfel.
»Und jetzt geht endlich.«
Emma hat einen braunen Medizinschnurrbart, sie versucht etwas zu sagen, doch Agnes Jonsson hat ihr bereits den Rücken zugekehrt und angefangen, mit dem Bild ihres verstorbenen Mannes zu sprechen.
»Wenn man wenigstens am Sonntag seine Ruhe haben dürfte. Wäre das zu viel verlangt?«
Aber Maschinenmeister Jonsson antwortet nicht. So wie er es zeit seines Lebens auch nicht getan hat.
Vartsala, 12. Mai 2009
Ich habe damit begonnen, den Backofen abzubauen. Die Steine waren schon in der Verblendung morsch – beschädigt durch die Temperaturwechsel in dem leerstehenden, unbeheizten Haus. Die Steine sind von vorneherein von schwacher Qualität gewesen, vermutlich hat man sie aus einer kleinen Ziegelei in der näheren Umgebung geholt. Aus Mjösund oder Tarvasjoki, warum nicht aus Marttila, aus der Ziegelfabrik des toten Disponenten Penkere. Südwestfinnland ist eine Tonerdeprovinz und voller alter Ziegelbrennereien.
Mit Sicherheit bröckeln die Teile in den Rauchabzügen, die der Wärme ausgesetzt waren, bereits. Die Tür und die anderen Eisenteile sind in Ordnung, abgesehen von der obersten Ofenklappe, die ich kaputt machen musste. Ich band ein Seil an die Öse der schweren Eisenstange und ließ sie in den Schornstein fallen, worauf die Blechklappe zersprang. Nun muss ich mir eine neue besorgen, die in einen Doppelsteinkamin passt.
Doch der Ofen muss schon deshalb neu gemacht werden, weil die Größe des Backraums in keinem Verhältnis zur Steinmasse steht. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Wer hat sich das ausgedacht? Der Backraum ist für sieben Brote gemacht, aber die gesamte Konstruktion enthält weniger als drei Tonnen Ziegel. Die Isolierung zwischen Feuerung und Verblendung ist
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