Eine eigene Frau
zu werben? Hat er vielleicht geglaubt, Saida habe sich sozusagen in Unkraut verwandelt?
»Pass auf, was du sagst, du …!«
»Na, immerhin hat sie sich in eine verwandelt, um die die meisten Bewerber einen weiten Bogen machten.«
Sakari gibt zu, dass es in gewisser Weise so gewesen ist. Unter anderen Umständen hätte er es nie gewagt, sich dem Mädchen zu nähern. Er hatte ja kaum den Mut gehabt hinzugucken.
»Hast du aus Mitleid um sie angehalten?«
»Nein, zum Donnerwetter!«
Sakari regt sich über Kustaas beleidigende Deutung auf. Der Kerl vermengt alles derart, dass einem die Galle hochkommt. Eine Frau wie Saida heiratet man nicht aus Mitleid. Selbstverständlich war sie in Sakaris Augen keinen Deut weniger begehrenswert geworden, ganz gleich was ihr passiert sein mochte. Es war bloß unerträglich, sich vorzustellen, wie schlimm man sie womöglich verletzt hatte. Womöglich war sie wie in Stücke zerbrochen, die ganze anmutige Person. Man musste sie einfach schnell in Sicherheit bringen, damit sie wieder heil wurde. Das war Sakaris einziger Gedanke gewesen. Saida musste vor den Bestien gerettet werden. Niemand durfte ihr mehr etwas Böses tun. Dafür wollte er vor allem anderen sorgen. Für sich selbst stellte er keinerlei Forderungen. Wie auch? Er war vollkommen darauf eingestellt, dass Saida vielleicht nie mehr einen Mann an sich heranlassen würde.
So in der Art.
Aber im Nachhinein sieht das alles natürlich blöde aus. Nur ein Dummkopf, der nie gelernt hatte, den Mund im richtigen Moment aufzumachen, konnte so kindisch denken.
Kustaa klopft auf die Tischkante. Schließlich fragt er, ob Sakari dies alles auch seiner Frau erklärt habe.
»Das versteht man doch auch ohne Erklärung.«
Sakari ist vollkommen davon überzeugt, dass ein Herumstochern in seinen guten Absichten die Niederlage erst komplett machen würde.
Kustaa schüttelt den Kopf. Er verschränkt die Arme über seinem fetten Bauch und fängt an ruhig zu Sakari zu sprechen, beinahe wie ein Pfarrer. Der Schein der Öllampe reflektiert in seinen Brillengläsern, während er seine Lebensweisheit teilt. So etwas kann nur einer tun, dessen Schicksal für immer und ewig darin besteht, von außen dem Reigen der anderen zuzusehen.
Zunächst einmal sei Sakari eventuell überrascht zu hören, was ihm, Kustaa, an Sakaris Frau aufgefallen sei. Ob es den ständigen Herabsetzungen ihres Vaters Herman zuzuschreiben sei oder nicht, jedenfalls sehe sich Saida ganz und gar nicht als die wundersame Frauensperson, als die Sakari sie gerade beschrieben habe. Wie alle wüssten, habe das Mädchen bei Bedarf durchaus einiges an Stolz und Sturheit zu bieten, aber davon dürfe man sich nicht täuschen lassen. Kustaa würde sich kein bisschen wundern, wenn das Mädchen glaubte, Sakari habe sie lediglich aus Mitleid geheiratet.
»Und könnte man eine Frau denn noch mehr kränken? Oder überhaupt einen Menschen?«, fragt Kustaa. »Und am schlimmsten ist es natürlich, wenn der gekränkte Mensch sich zutiefst zu der fraglichen Person hingezogen fühlt.«
›Dürfe man sich nicht täuschen lassen‹, ›fragliche Person‹ … Wo nimmt Kustaa solche Wörter und Sätze her? Wahrscheinlich aus den Büchern.
»Glaub’s mir halt. Sie macht sich nichts aus mir.«
»Hat aber deinen Antrag angenommen?«
»Damit sie ihrem Vater aus den Augen kam. Oder so ähnlich. Woher soll ich das wissen.«
Wie nebenbei erwähnt Kustaa, dass Saida, als Sakari in Tampere gewesen sei, mehrmals seinen Namen erwähnt habe. Ohne dass es einen Anlass dazu gegeben hätte.
Die Flasche hält vor Sakaris Lippen inne.
»Wann denn?«
»Als wir das Theaterstück machten. Der Widerspenstigen Zähmung .«
»Das ist nicht wahr!« Sakari erhebt sich schwankend und rüttelt Kustaa an den herabhängenden Schultern. »Verdammt, das gibt’s nicht. Sagst du die Wahrheit?«
»Mindestens drei, vier Mal«, lügt Kustaa mit großen braunen Augen.
Saida gießt gerade Kerzen, als Sakari zur Tür hereingestampft kommt. Im warmen Zimmer schwebt der Duft der Kerzenmasse, die im Wasserbad schmilzt. Saida steht am Herd, lässt doppelt gefaltete Wattedochte in den Topf sinken und zieht sie wieder heraus.
»Das riecht aber gut.«
»Honigwachs. Hab ich von Opa bekommen. Und die Töpfe durfte ich mir leihen.«
»Die sind ja riesengroß.«
»Ja. Muss auch so sein.«
Saida hängt die mit Wachsmasse ummantelten Dochte zum Abkühlen an die Wäscheleine, die sie zu diesem Zweck neben der Tür gespannt
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