eine Elfenromanze
an. „Bei den Göttern! Sag nicht, du ...! Wie konntest du das annehmen? Du musst es zurückbringen!“
„Wenn ich zu dem Bankett gehen soll, brauche ich ein Kleid“, erklärte Selina ruhig. „Selbst wenn ich es nur zurückbringen wollte, müsste ich hingehen. Was kann es schaden, ein paar Stunden zu bleiben und sich zu amüsieren?“
Ria schüttelte verzweifelt den Kopf. Wie sollte sie ihrer Freundin nur begreiflich machen, dass sie nichts ahnend in eine Falle lief?
Selina blickte ihr ernst in die Augen. Sie hatte sich lange mit all den für sie vorstellbaren Risiken auseinandergesetzt und sie hatte sich entschieden. Liones war ihr nicht unsympathisch. Ja, sie mochte ihn. Doch sie fühlte sich in keiner Weise sexuell von ihm angezogen. Sie war sich sicher, dass sie gegen seine Tricks immun war. „Ich werde hingehen, um mich mit ihm zu unterhalten“, erklärte sie entschlossen. „Mehr nicht! Er müsste mich schon niederschlagen und mich in sein Schlafgemach schleifen. Und das würde er nicht tun.“
Ria fuhr fort, den Kopf zu schütteln. Sie hatte schon so manche Geschichte darüber gehört, wie es zuweilen auf den Banketten des Adels zuging. Und sie war sicher, dass sich Alkohol ebenso gut mit Blauem Blut mischte, wie mit jedem anderen auch. In betrunkenem Zustand waren sie alle gleich: Bauern, Fuhrwerker, Händler, Adelige ... es machte keinen Unterschied, welcher Gesellschaftsschicht sie angehörten.
„Kannst du denn überhaupt tanzen?“, fragte Ria und versuchte damit eine andere Taktik, ihrer Freundin das Vorhaben auszureden.
Selina legte zweifelnd den Kopf schief. „Wieso?“
Ria öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als Brunas durchdringendes Gebrüll zu ihnen heraufhallte. „Selina! Hier ist jemand, der sagt, er komme, um dich abzuholen!“, donnerte die Wirtin.
„Oh!“ Selina warf einen letzten, prüfenden Blick in den Spiegel und stürmte aus dem Zimmer. Ria rannte hinter ihr her.
Die Wirtsstube begann sich langsam mit Gästen zu füllen und alle drehten sich erstaunt zu der herausgeputzten Halbelfe um. So manchem lag eine anzügliche Bemerkung auf den Lippen, doch er schluckte sie schnell wieder hinunter, als ein Mann in schwarzer und silberner Rüstung rasch auf die junge Frau zu trat.
Harras hatte alle Mühe, seine Überraschung zu verbergen und die Halbelfe nicht verblüfft anzustarren. Es war ihm nicht entgangen, dass die Magd hübsch war, doch auf solch einen Anblick war er nicht gefasst gewesen.
Er verneigte sich zum Gruß. „Liones hat mich geschickt, Euch abzuholen“, beantwortete er die unausgesprochene Frage, die sich auf dem Gesicht der jungen Halbelfe widerspiegelte.
„Woher wusste er, dass ...?“, begann Selina verwirrt.
Harras konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Soweit er sich erinnerte, hatte es noch nie eine Frau fertiggebracht, Liones Emnesthar eine Absage zu erteilen.
„Das Kleid steht Euch wundervoll“, erklärte er, scheinbar die Frage überhörend, und bot ihr den Arm an.
Selina ignorierte die Geste und zupfte ihr Kleid zurecht. „Ja, es passt wirklich perfekt. Wie für mich gemacht!“
„Es wurde für Euch gemacht“, korrigierte der Krieger und ließ den Arm wieder sinken.
Selina sah in ungläubig an.
„Liones hat es bei seinem Schneider persönlich in Auftrag gegeben. Er hat ... Nun, wie soll ich sagen? Er hat ein geübtes Auge, was die Proportionen des weiblichen Körpers angeht.“
Selina schlang beschämt die Arme um ihren Körper. Sie stellte sich vor, wie der Elf, von ihr unbemerkt, ihren Körper im Geiste bemessen haben musste. Sie stellte sich vor, wie er ihre weiblichen Rundungen gemustert und in Zahlen umgerechnet haben musste. Und es war ihr ausgesprochen peinlich.
„Wollen wir?“, forderte Harras und riss sie bewusst aus ihren Gedanken.
Selina nickte zögernd.
„Selina!“, erklang Rias Stimme flehend von der Treppe her.
Die Halbelfe zwinkerte ihrer Freundin aufmunternd zu. „Mach dir keine Sorgen um mich!“ Sie wandte sich rasch ab und lief nach draußen, bevor erneut Zweifel in ihr aufkeimen konnten.
Kaum durch die Tür, machte sie jäh halt und riss vor Staunen den Mund auf. Vor dem Gasthaus stand eine kleine, jedoch elegante Kutsche, der zwei edle Rösser vorgespannt waren. Ihre Mähnen waren kunstvoll geflochten und ihr reich verziertes Geschirr glitzerte in der Abendsonne.
Als Harras auf die Straße hinaustrat, war Selina verschwunden. Verwundert blickte er sich um. Einen Moment lang fürchtete er, die
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