eine Elfenromanze
Nacht einreihen. An ihr würde er sich die Zähne ausbeißen!
Liones verbeugte sich tief. „Mylady! Neben Eurer Schönheit verblassen selbst die Sterne! Erlaubt mir die Bemerkung: Ihr seid bei Weitem die bezauberndste Elfe, die ich jemals diese Treppe emporgeführt habe!“
Er bot ihr den Arm an. Doch Selina schlug den Blick nieder und wandte sich von ihm ab.
„Wie vielen vor mir habt Ihr mit genau diesen Worten den Hof gemacht?“, fragte sie.
Er lächelte und berührte sie leicht am Kinn, damit sie ihm wieder den Kopf zuwandte. Ihre dunklen Augen blickten anklagend zu ihm auf, doch er stellte sich ihnen ohne Scheu. „Vielen! Das muss ich wohl eingestehen! Doch diesmal entspricht es zum ersten Mal der vollen Wahrheit!“ Selina sah nervös zur Seite und Liones wusste, dass dieser Punkt an ihn ging.
„Darf ich bitten“, forderte er sie mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen auf und bot ihr erneut den Arm an.
Selina zögerte. Doch dann entschied sie, dass der Elf nicht so einfach wie Harras davon zu überzeugen sein würde, ihr gegenüber diesen förmlichen Umgang zu unterlassen und ihr auf eine ungezwungenere Art zu begegnen. Er würde darauf bestehen, dass sie dieses Spiel mitspielte. Andererseits, so überlegte sie, war es ihr eigentlich nur recht, diese gewisse Distanz der Höflichkeit zwischen ihnen aufrechtzuerhalten. So hängte sie sich bei ihm ein und ließ sich die Treppe hochführen.
Stimmengewirr wurde laut, als sie das obere Stockwerk betraten. Elfen und auch viele Menschen tummelten sich hier in den Gängen. Überschwängliche Begrüßungen wurden gerufen, Küsschen ausgetauscht und man unterhielt sich schwatzend.
Liones geleitete Selina einen breiten Korridor entlang. Die junge Halbelfe konnte abermals fühlen, wie sie angestarrt wurde. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie sich Leute umdrehten, um den jungen Grafensohn und seine Begleiterin zu mustern. Einige Frauen steckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Selina war so nervös, dass sich ihre Finger krampfhaft in Liones’ Arm krallten. Das Lächeln auf ihren Lippen gefror zur Grimasse.
Liones, dem nicht entging, dass sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte, bemühte sich darum, ein Gespräch in Gang zu bringen. „Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Fahrt“, begann er rhetorisch.
„Ja, danke“, sagte Selina knapp.
„Verzeiht, dass es mir nicht möglich war, Euch persönlich abzuholen, und ihr mit Harras vorlieb nehmen musstet.“
„Eure Entschuldigung ist unnötig. Im Gegenteil! Muss ich mich doch dafür bedanken, abgeholt worden zu sein“, erklärte sie halbherzig.
„Das war doch das Mindeste, was Euch zustand“, entgegnete er, wollte aber eigentlich sagen, dass es eine Selbstverständlichkeit war, die keiner Erwähnung bedurfte. Anderenfalls wäre sie schließlich nicht hier, denn an einen Fußmarsch dachte er erst gar nicht. Der Weg war entschieden zu weit und die Vorstellung einer jungen Dame, die in einem Abendkleid durch enge Gassen und über Feldwege lief, war schier absurd.
Liones konnte regelrecht spüren, dass das Schweigen erneut wie eine Mauer zwischen sie beide viel – eine unsichtbare Barriere, die sie auf Distanz hielt. Er wusste nichts von Selinas Abneigung gegenüber den neugierigen Blicken der Leute. Er nahm an – und das nicht ganz zu unrecht – dass die junge Elfenfrau aus einem ihm unbekannten Grund Angst vor ihm hatte. Wie bei ihren letzten Zusammentreffen brachte sie ihm ein gewisses Maß an Misstrauen entgegen. Er nahm sich vor, alles zu tun, um erneut das Eis zu brechen – und dieses Mal sollte es endgültig sein. Er wusste, dass die offenherzige Elfe, die er vor noch nicht einmal einer Woche auf der Seidenmeile zum ersten Mal getroffen hatte, irgendwo hinter dem dicken Schutzpanzer steckte, den Selina um sich aufgebaut hatte. Sie war nicht wie die anderen Frauen, mit denen er sich normalerweise zu umgeben pflegte. Und gerade das gefiel ihm an ihr. Sie war nicht mit Reichtum und Einfluss zu beeindrucken. Sie stellte eine gewisse Herausforderung an ihn dar.
„Ihr müsst durstig sein!“, meinte er, als er einen Bediensteten bemerkte, der den Gang entlang auf sie zukam und ein Tablett mit Getränken trug. Er wartete Selinas Antwort nicht ab, sondern winkte den Diener mit einer knappen Handbewegung zu sich heran. Vorsichtig nahm er zwei der gefüllten Kristallgläser und reichte eines davon an seine Begleiterin weiter. Er überlegte sich einen eindrucksvollen Trinkspruch. Jedoch kam
Weitere Kostenlose Bücher