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eine Elfenromanze

eine Elfenromanze

Titel: eine Elfenromanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Forst
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einem jubelnden Heer, stolz aber selbstlos und gutherzig. Auch wenn Selina klar war, dass die Realität vermutlich ein anderes Bild gezeigt hatte – einen Mann in verwahrloster Kleidung, befleckt vom Blut seiner Opfer und ganz und gar nicht selbstlos, denn er hatte seine Frau und seine Tochter im Stich gelassen – so ließ sie sich doch gerne zu dieser schimmernden Illusion hinreißen.
    „Es stimmt schon, dass die Grafschaft mich nicht schlecht für meine Dienste entlohnt. Doch wie Euer Vater einst sein Leben für das Land einsetzte, bin ich bereit, meines für einen Freund zu riskieren. Liones ist in erster Linie mein Freund, er ist nicht einfach nur mein Herr.“
    Selina schwieg nachdenklich. Ihr imponierte seine Aufopferungsbereitschaft. Und sie fragte sich, was eine Person empfinden musste, die bereit war, solch ein Risiko für jemand anders einzugehen. Sie dachte an Ria und daran, wie sie vor Bruna behauptet hatte, der Verlust des Geldbeutels sei ihre Schuld gewesen. Selina nannte Ria ihre Freundin und es war ihr ungemein selbstlos erschienen, als Ria versucht hatte, all die Konsequenzen des Diebstahls allein auf sich zu nehmen. Doch Harras würde für Liones nicht nur im übertragenen Sinne durchs Feuer gehen. Würde Ria das für sie tun? Würde sie das für Ria tun? Wäre sie bereit für jemand anderes zu sterben?
    „Liones kann sich wahrlich glücklich schätzen, einen Freund wie Euch zu haben.“
    Harras antwortete mit einem Lächeln.
    Die Kutsche rollte die sich windende Straße einen flachen Hang hinauf. Auf der Kuppe eines Hügels erstreckte sich das Anwesen der Grafenfamilie Emnesthar, umrahmt von einem Buchenwäldchen. Harras lenkte das Gespann durch einen hohen Torbogen in die weitläufige Gartenanlage. Hier führte der Kiesweg, welcher sich wie ein helles Band zwischen gepflegten Rasenflächen hindurchzog, in einem weiten Bogen um einen Brunnen auf das majestätische Hauptgebäude zu. Die marmorne Fassade war mit Reliefs verziert. Blattornamente rankten sich Pilastersäulen empor. Kleine Türme erhoben sich spitz in den Himmel. Durch die hohen Fenster fiel das Licht in bunten Farben.
    Selina blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Noch niemals zuvor hatte sie ein von Elfen errichtetes Bauwerk gesehen. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass dieses Schloss von einem anderen Gebäude im Land übertrumpft werden konnte. Selbst der Palast Ametars wirkte hiergegen derb und plump.
    Links, in respektvollem Abstand zum Haupthaus, befanden sich diverse Wirtschaftsgebäude und zur Rechten hatte man abseits gelegen die Stallungen errichtet.
    Harras manövrierte den Zweispänner an einigen anderen Kutschen vorbei, die auf dem Kiesweg standen. Selina beobachtete, wie Leute in prächtigen Gewändern ausstiegen und auf ein Eingangstor an der Flanke des Gebäudes zugingen. Stimmengewirr drang leise zu ihr herüber. Doch Harras kümmerte sich nicht darum, sondern fuhr weiter.
    Er hielt das Gespann direkt vor einer breiten Marmortreppe, die zu dem zentralen Eingang des Schlosses, einem hohen Flügeltor, führte.
    „Ihr solltet Eure Schuhe wieder anziehen“, meinte er. „Wir sind da.“
    Selina griff nach den Sandalen. „Wieso bleiben wir hier stehen und nicht dort, wo all die anderen hineingehen?“, wollte sie wissen.
    „Die persönlichen Gäste der Grafenfamilie haben ihren eigenen Eingang“, erklärte Harras und sprang vom Kutschbock. „Betrachtet es als besondere Ehrerbietung.“
    Selina zog ihre Schuhe an, raffte ihr Kleid hoch und stieg ab.
    „Gestattet!“ Harras bot ihr den Arm an. Als sie nicht reagierte, sagte er: „Nur der Form halber, damit man nicht denkt, man habe vergessen, mir Manieren beizubringen.“
    Sie lächelte und hängte sich artig bei ihm ein.
    Harras führte sie die Treppe empor, stemmte einen Flügel des Eingangsportals auf und geleitete sie ins Innere des Schlosses.
    Sie betraten eine hohe Halle.
    Selina sah sich nervös um. Zu ihrer Überraschung waren sie vollkommen allein. Erleichtert atmete sie aus. Als Harras von besonderer Ehrerbietung gesprochen hatte, war die unangenehme Vorstellung eines eigenen Empfangskomitees in ihr hochgestiegen. Nun stellte sie beruhigt fest, dass ihre Ankunft anscheinend unbemerkt geblieben war.
    „Ich möchte Euch bitten, hier zu warten“, sagte Harras.
    Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. „Was ist mit Euch?“
    „Ich werde Irisera und Ranora versorgen. Keine Angst, ich werde nicht weit weg sein, solltet ihr mich brauchen.“ Er deutete

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