eine Elfenromanze
eine Verbeugung an. „Ich wünsche Euch einen unterhaltsamen Abend, Selina. Es war mir eine Ehre!“ Dann drehte er sich um und ging.
Die Eingangstüre fiel ins Schloss.
Selina hatte das Gefühl, als hätte man eine Verliestür hinter ihr zugeschlagen.
* * *
Harras lief die Treppe hinunter und trat zu der Kutsche. Er ergriff Irisera und Ranora am Zaumzeug, um sie den Kiesweg entlang zur Wagenremise und den Stallungen zu führen. Doch dann hielt er inne und blickte hinauf zum Eingangsportal. Seine Gedanken wanderten zu Selina.
„Welch eine Verschwendung“, flüsterte er und stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann ging er voran. Die beiden Stuten folgten gehorsam.
Blickfang
Selina sah sich unsicher um.
Sie stand inmitten einer riesigen Empfangshalle. Gewundene Säulen stützten die Decke. Durch hohe Buntglasfenster fiel diffuses Licht und verlieh den Gemäuern etwas Irreales. Vor ihr führte eine breite Treppe in den Halbstock und von dort im rechten Winkel hinauf ins Obergeschoss, wo sie ihrem Blick entschwand. Ein purpurner Teppich lief die polierten Stufen hinab, um direkt vor Selina zu enden. Doch sie wagte es nicht, einen Fuß auf das zweifellos kostbare Gewebe zu setzen. Nein, viel lieber hätte sie kehrt gemacht, wäre nach draußen gelaufen. Noch hatte niemand sie bemerkt und Harras war mit den Pferden beschäftigt. Noch konnte sie sich fortschleichen und zurücklaufen zum Gasthof.
„Was habe ich mir dabei gedacht?“
Sie legte den Kopf in den Nacken. Über ihr spannte sich ein hohes Deckengewölbe, mit Malereien überzogen. Hier öffnete sich das Bild einer Kuppel in die blauen Gefilde des Himmels, umringt von tanzenden Feen. Dort überzog ein Gespinst farbenprächtiger Blüten die optische Illusion einer Balustrade. Und zwischen all dem hing ein kristallener Kronleuchter mit unzähligen Kerzen tief von der Decke herab.
Selina hatte das Gefühl, unter dem Prunk erdrückt zu werden. Sie fühlte sich winzigklein, hilflos und unbedeutend.
So fand Liones sie, als er die Treppe hinab schritt.
Er verweilte im Halbstock, nur um sie zu betrachten. Ihr langes, glattes Haar war von silbernen Perlenschnüren durchzogen und floss wie ein Wasserfall aus dunkler Seide über ihre Schultern. Ihre schlanke Gestalt war in schimmerndes Eisblau gekleidet – feines, durchbrochenes Gewebe, das ihren zarten Körper gleichsam einer vagen Ahnung an mancher Stelle schwach hindurchschimmern ließ. Liones beglückwünschte sich im Stillen zu seiner Wahl. Heute Abend würden ihn die Gäste um seine zauberhafte Begleitung beneiden.
Selina löste ihren Blick von dem Kronleuchter und ließ ihn das verschnörkelte Stiegengeländer entlang gleiten, bis er an dem jungen Elfenmann haften blieb, der dort am Absatz der Treppe stand und sie betrachtete. Sein gepflegtes, halblanges Haar hing ihm offen über die Schultern. Er trug ein Hemd aus schwarzem Seidensatin, nur in Höhe der Taille mit einer Reihe Knöpfe geschlossen, wodurch es einen freizügigen Blick auf seine Brust und nackte Haut gewährte. Unterhalb blinkte die Schnalle eines breiten, reich mit Silber verzierten Gürtels. Und an seiner Hüfte hing ein schmales Zierschwert, welches mit dunklen Rubinen besetzt war. Seine Hose war ebenfalls aus nachtschwarzer Seide und perfekt an seine schlanke Figur geschneidert. Hätte Selina es nicht besser gewusst, hätte sie gemutmaßt, der Schneider wäre aus Kostengründen gezwungen gewesen, keinen Zentimeter des wertvollen Materials zu vergeuden. Doch sie musste gestehen, dass der weich fließende Stoff seine Gestalt bestens zur Geltung brachte.
‚Vielleicht ein wenig zu gut!’, schoss es ihr durch den Kopf, als Liones die Treppe hinab kam und auf sie zu trat. Für einen Moment fühlte sie sich, als wäre sie in eines dieser kitschigen Märchen versetzt, das man Kindern erzählte. Sie war die Magd, die für die Flüchtigkeit eines Traumes Prinzessin sein durfte. Der Moment hatte etwas Magisches.
Selina wich verlegen einen Schritt zurück. Sie konnte förmlich spüren, dass ihr die Röte heiß in die Wangen stieg, als sie sich bewusst wurde, wie sie den Elf die ganze Zeit über anstarrte. Die Warnungen ihrer Freundin drängten sich in ihre Gedanken. Natürlich trug er ein Gewand aus schwarzer Seide. Ria hatte es gewusst.
Nein, Selina würde sich nicht von ihm umgarnen lassen. Sie war hier, um ihm auf einem Tanzbankett Gesellschaft zu leisten, mehr nicht. Sie würde sich nicht in die Liste seiner Geliebten für eine
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