eine Elfenromanze
zischte er. „Ich erkläre es Euch später.“
In der Zwischenzeit war der Graf mit seiner Rede fortgefahren. Er zählte einige Ehrengäste auf und machte den einen und anderen Schlenker in den Themenbereich der Geschäftswelt.
„Doch es ist mir natürlich ein oberstes Anliegen, dass Ihr Euch amüsiert. Nur keine Hemmungen! Ein ganzes Zwergenheer würde es nicht schaffen, meinen Weinkeller trockenzulegen.“
Die Gäste lachten – wohl mehr aus Höflichkeit, mutmaßte Selina.
„Nun“, rief Leothan, „will ich Euch, meine lieben Gäste, nicht länger mit meinen Reden langweilen. Gemäß der Tradition des Hauses Emnesthar werden meine beiden Söhne dieses Bankett eröffnen. Bitte!“ Er machte eine einladende Geste über die Leute hinweg zum anderen Ende des Saals. Die Menge teilte sich und es bildete sich ein Gang zwischen ihren Reihen, der zu Selinas großem Unbehagen in ihrer unmittelbaren Nähe endete.
„Darf ich bitten?“ Liones verbeugte sich vor ihr und wollte ihre Hand nehmen.
„Was?!“, entfuhr es Selina etwas lauter als beabsichtigt. Sie machte vor Schreck einen Satz rückwärts.
„Gestattet mir die Ehre, Euch zu diesem ersten Tanz zu führen“, bat der Elf. Sein Blick zeigte deutlich, dass er auf Ablehnung nicht gefasst gewesen war. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, mit seiner Begleiterin das Bankett zu eröffnen. Mit wem sonst?
Selina hatte das Gefühl, als hätte man den Boden unter ihren Füßen fortgezogen. „Aber ...“, begann sie. Ihre Stimme zitterte. „Aber ich kann doch gar nicht tanzen!“
„Unsinn!“ Liones ergriff sie am Arm und zog sie zu sich heran. „Ich habe noch keine Elfe gesehen, die nicht tanzen konnte.“
‚Aber ich bin doch keine Elfe!’, wollte Selina ausrufen. Sie wollte sich umdrehen und aus dem Saal laufen. Doch Liones’ Griff war erbarmungslos, wenn auch nicht grob. Sein Blick war durchdringend.
„Vertraut mir. Bitte, Selina“, flüsterte er.
Es war etwas in seinen meerblauen Augen, das sie tief in ihrem Inneren berührte. Aus einem unbestimmten Grund konnte sie sich ihm nicht widersetzen.
‚Wenn Ria mich jetzt sehen würde!’, schoss es ihr durch den Kopf, als er sie in die Gasse zwischen den Leuten zuführte.
Ein Paar löste sich aus der Menge und trat auf sie zu. Es waren Elfen. Die Frau war zierlich und schlank und wirkte zerbrechlich in ihrem wallenden Kleid. Der Mann an ihrer Seite hingegen war für elfische Maßstäbe überaus kräftig gebaut. Er strahlte eine Selbstsicherheit aus, die Selina einschüchterte.
Liones nickte dem Paar zu.
„Nach dir, Bruderherz“, sagte der Mann und machte eine undeutliche Kopfbewegung zum anderen Ende des Saals.
„Wie du wünschst.“
Selina ließ sich widerstrebend von Liones durch die Menge führen, auf den großen, freien Platz vor dem Balkon zu. Das andere Paar folgte ihnen.
Selina konnte die Blicke der Leute eindringlicher denn je auf sich spüren. Sie schienen sie regelrecht zu durchbohren – aufzuspießen und hinzurichten. Ängstlich sah sie zu der Grafschaft auf dem Balkon. Auch deren Augen schienen einzig auf sie gerichtet.
Liones verbeugte sich tief vor seinen Eltern, während Selina stocksteif neben ihm stehen blieb. „Macht einen Knicks!“, zischte er.
„Wie?“ Selina zog hilflos die Schultern hoch. „Ich kann das nicht.“
Liones überlegte kurz. „Macht so etwas wie einen eleganten Kniefall, nur ohne Euch irgendwo abzustützen. Und wenn möglich, ohne das Kleid zu zerreißen.“
Selina ließ sich etwas ungeschickt auf ihr rechtes Knie nieder und senkte den Kopf. Sie schrak sichtlich zusammen, als der Klang einer Fanfare plötzlich die Stille zerriss.
„Steht auf.“ Liones zog leicht an ihrer Hand, die er die ganze Zeit über festgehalten hatte. Sie erhob sich wankend. Er trat vor sie hin, legte seinen rechten Arm um sie und nahm Tanzhaltung an.
„Wie könnt Ihr mir das antun?“, jammerte Selina.
„Ich hätte Euch nicht ausgewählt, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass Ihr Euch nicht blamieren werdet“, behauptete er und zog sie näher zu sich heran.
Selina versteifte sich sofort. Er war ihr jetzt so nah, dass sein Körper den ihren zu berühren drohte. Und sie konnte seinen Geruch und die Wärme seiner Haut wahrnehmen. Beunruhigt blickte sie zu ihm auf. Ihr Herz schlug hart gegen ihren Brustkorb. Oh, hätte sie nur auf Ria gehört!
„Es ist wirklich ganz einfach“, meinte Liones. „Doch Ihr müsst mir vertrauen. Gebt Euch vollkommen der Musik hin
Weitere Kostenlose Bücher