Eine Evatochter (German Edition)
zusammengebracht. Dieser halbe Erfolg ermutigte dazu, Banknoten in diese Kohlenpfanne zu werfen. Noch etwas Talent, ein politischer Prozeß, eine augenscheinliche Verfolgung, und Raoul wurde zu einem der modernen Condottieri, deren Tinte heute soviel gilt, wie ehemals das Schießpulver.
Unglücklicherweise war diese Maßnahme schon getroffen, als Florine mit etwa 50 000 Franken zurückkehrte. Statt sich nun eine Reserve zu schaffen, täuschte Raoul sie über seine Lage und veranlaßte sie, sich mit dem Gelde neu einzurichten. Er glaubte an seinen Erfolg, weil er ihn nötig hatte, und es demütigte ihn, daß er das Geld der Schauspielerin angenommen hatte. Er fühlte sich durch seine Liebe innerlich gewachsen und durch die arglistigen Lobreden seiner Schmeichler geblendet. Unter solchen Umständen wurde eine prunkvolle Lebensführung zur Notwendigkeit. Die Schauspielerin, die nicht erst dazu gedrängt zu werden brauchte, machte 30 000 Franken Schulden. Florine bezog ein ganzes Haus in der Rue Pigalle, das reizend eingerichtet wurde, und in dem sich ihre alte Gesellschaft wieder einstellte. Das Haus einer Person vom Range Florines war ein neutraler Boden, sehr vorteilhaft für ehrgeizige Politiker, die, wie Ludwig XIV. in Holland, bei Raoul ohne Raoul verhandelten.
Raoul hatte für die Schauspielerin zu ihrem Wiederauftreten ein Stück reserviert, dessen Hauptrolle ihr vorzüglich lag. Dies Vaudevilledrama sollte Raouls Abschied von der Bühne sein. Die Zeitungen, die ihre Gefälligkeit für Raoul nichts kostete, brachten Florine im voraus eine solche Ovation dar, daß die Comédie Française von einem Engagement sprach. Die Feuilletons feierten Florine als Erbin von Mademoiselle Mars.
Dieser Triumph betäubte die Schauspielerin derart, daß sie es unterließ, Nathans tatsächliche Lage zu sondieren. Sie lebte in einem wahren Festtaumel. Als Königin dieses Hofes voller Bittsteller, die sich um sie drängten, der eine wegen seines Buches, der andere wegen seines Stückes, wegen seiner Tänzerin, wegen seines Unternehmens oder wegen einer Reklame, gab sie sich allen Freuden bin, die die Macht der Presse bereitet, und erblickte darin schon das Morgenrot des ministeriellen Ansehens. Die Leute, die bei ihr verkehrten, erzählten ihr, Nathan sei ein großer Politiker. Nathan hätte Recht mit seinem Unternehmen, er würde Deputierter werden und für eine Weile zweifellos Minister, wie so viele andre. Schauspielerinnen sagen selten nein, wenn ihnen etwas schmeichelt. Florine besaß nach dem Feuilleton zuviel Talent, um der Zeitung und ihren Machern zu mißtrauen. Der Mechanismus der Presse war ihr zu unbekannt, um sich über die Mittel Sorge zu machen. Mädchen vom Schlage Florines sehen immer nur die Ergebnisse.
Was Nathan betraf, so glaubte er seit dieser Zeit, daß er bei der nächsten Sitzungsperiode in die politische Laufbahn gelangen würde, und zwar mit zwei früheren Journalisten, deren einer damals Minister war und sich bemühte, seine Kollegen wegzubeißen, um seine eigene Stellung zu befestigen. Nach sechsmonatlicher Abwesenheit sah Nathan Florine gern wieder und sank nachlässig in seine alten Gewohnheiten zurück. Das schwere Geflecht seines Lebens durchwirkte er mit den schönsten Blumen seiner idealen Liebe und mit den Freuden, die Florine ihm spendete. Seine Briefe an Marie waren Meisterwerke von Liebe, Anmut und Stil. Nathan machte sie zur Leuchte seines Lebens und unternahm nichts, ohne seinen guten Geist zu befragen. Voller Verzweiflung, daß er auf Seiten des Volkes stand, wollte er bisweilen die Partei der Aristokratie ergreifen, aber trotzdem er an Gewaltstreiche gewöhnt war, sah er die völlige Unmöglichkeit ein, von links nach rechts zu schwenken; jetzt wurde er leichter Minister. Maries kostbare Briefe verwahrte er in einer Mappe mit Geheimschloß, wie sie Huret und Fichet liefern, jene beiden Mechaniker, die sich in Paris mit Annoncen und Anschlägen herausforderten, wer die zuverlässigsten Sicherheitsschlösser herstellte. Diese Mappe blieb in Florines neuem Boudoir, in dem Raoul arbeitete. Niemand ist leichter zu täuschen, als eine Frau, der man alles zu sagen pflegt. Sie hegt keinerlei Mißtrauen, glaubt alles zu wissen und zu sehen. Zudem teilte die Schauspielerin seit ihrer Rückkehr ihr Leben mit Nathan und fand keine Unregelmäßigkeit darin. Nie hätte sie geahnt, daß diese Mappe, die sie kaum gesehen hatte, die er unauffällig einschloß, Schätze der Liebe enthielt – die Briefe
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