Eine ewige Liebe
Fingerspitzen flammte ein grünes Licht auf, das nach und nach von einer Hand zur nächsten übersprang. Gramma schloss dieAugen und spreizte die Finger, um Macons Energie in den Kreis fließen zu lassen. John bemerkte es, schloss ebenfalls dieAugen, und das pulsierende Licht schwoll weiter an.
Blitze spalteten den Himmel, aber das Universum öffnete sich nicht, und dieAhnen ließen sich nicht blicken.
Wo seid ihr? , flehte ich im Stillen.
Amma versuchte es erneut.
»Dies ist die Schwelle, die ich nicht übertreten kann.
Nur ihr könnt meinem Jungen das Buch bringen.
Nur ihr könnt es aus unserer Welt in eure tragen.«
Ich konzentrierte mich und versuchte, die Hitzewellen unter meinen Händen zu ignorieren. Plötzlich hörte ich einenAst knacken. Dann noch einen. Ich öffnete dieAugen. Funken sprühten außerhalb des Kreises auf und wurden zu Flammen.Als hätte jemand eine Dynamitstange gezündet, fraßen sie sich in Sekundenschnelle durch das Gras, verschmolzen miteinander und bildeten einen Ring um unseren Kreis.
Der Sog des Feuers – die kaum zu bändigenden Flammen, die sich manchmal gegen meinen Wi llen entzündeten. Wieder einmal hatte ich den Garten in Brand gesteckt. Wie oft konnte diese Erde verbrennen, bis sie für alle Zeiten schwarz und verkohlt bleiben würde?
Amma kniff ihreAugen noch fester zu. Diesmal war es kein beschwörendes Skandieren, sie flehte dieAhnen in schlichtenWorten ein letztes Mal an.
»Ich weiß, dass ihr euch von mir abgewandt habt.Aber wenn ihr nicht um meinetwillen kommt, dann tut es Ethan zuliebe. Er ist auf euch angewiesen und er gehört nicht weniger zur Familie als ich.Tut das Richtige.Wir brauchen euch, dieses eine Mal noch. OnkelAbner.Tante Delilah.Tante Ivy. Großmutter Sulla.Twyla. Bitte.«
Der Himmel öffnete sich und R egen ergoss sich in Strömen auf uns herab.Aber unten tobte noch immer das Feuer und das Caster-Licht glühte weiter.
Dann sah ich etwas Schwarzes über unseren Köpfen kreisen.
Die Krähe.
Ethans Krähe.
Amma öffnete dieAugen und folgte meinem Blick. »Genau, OnkelAbner. Ethan kann nichts für meine Fehler, er verdient eure Strafe nicht. Ich weiß, dass ihr dort drüben einAuge auf ihn habt, genauso wie ihr immer einAuge auf uns hier unten hattet. Er braucht das Buch.Vielleicht wisst ihr, warum, auch wenn ich es nicht weiß.«
Die Krähe zog immer engere Kreise und am Himmel zeichneten sich Gesichter ab.Vertraute Züge kristallisierten sich nach und nach aus dem Universum über uns.
Als Erster erschien OnkelAbner, in dessen Gesicht die Zeit tiefe Falten gegraben hatte.
Die Krähe landete flatternd auf seiner Schulter.Vor seiner gigantischen Erscheinung sah sie aus wie eine Maus neben einem Riesen.
Als Nächstes tauchte Prophetin Sulla aus den Wo lken auf. Ihre majestätischen Zöpfe fielen ihr über die Schultern, und sie trug die schweren, ineinander verschlungenen Halsketten, als spürte sie deren Gewicht nicht. Oder als wäre deren Schwere es wert, sie zu tragen.
Das Buch der Monde bäumte sich unter meinen Händen auf, wie um sich aus meinem Griff zu winden.Aber ich spürte, dass es nicht dieAhnen waren, die es mir wegnehmen wollten.
Das Buch sträubte sich mit aller Macht gegen mich.
Ich packte es fester, als nun auchTante Delilah undTante Ivy am Himmel erschienen. Sie hielten sich an den Händen und blickten gemeinsam zu uns herab.Versuchten sie die Lage einzuschätzen?Wogen sie unsereAbsichten und Kräfte gegeneinander ab?
Sie fällten ein Urteil über uns, das fühlte ich. Und auch das Buch schien es zu spüren. Es versuchte erneut, sich aus meinem Griff zu befreien, und versengte meine Handflächen.
»Nicht loslassen!«, warnte michAmma.
»Das werde ich ganz bestimmt nicht«, rief ich über das Brausen hinweg. »TanteTwyla, wo bist du?«
Zuerst erschienenTwylas dunkleAugen und ihr sanftes Gesicht. Dann ihre Handgelenke mit den unzähligenArmreifen, dann die perlengeschmückten Zöpfe und die vielen Ohrringe, die an ihren Ohrläppchen baumelten.
»Ethan braucht dieses Buch!« Ich übertönte denWind und den R egen und das Feuer.
DieAhnen blickten auf uns herab, aber sie unternahmen nichts.
Das Buch der Monde hingegen schon.
Ich spürte seinen jagenden Puls und die Kraft und dieWut, die wie ein Gift durch meinen Körper rasten.
Nicht loslassen .
Bilder blitzten vor meinenAugen auf.
Genevieve, die das Buch in der Hand hält und die Worte spricht, die Ethan Carter Wate für einen kurzen Augenblick ins Leben
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