Eine fabelhafte Liebesgeschichte (German Edition)
selbstverständlich geworden.
Der Tiger verlor langsam die Lust an den ständigen Verrenkungen und dem ständigen Lächeln. Er fühlte sich wie mitten in einem Kraft- und Koordinationstraining. Die Verrenkungen verdichteten sich auf den Bildern zu tollen Motiven. Auf einigen saß die Maus dem Tiger auf den Schultern, manchmal umarmten sich die beiden und auf einem küssten sie sich sogar. Und das alles in ebenbürtigen Größen.
„Dieser Vogel hat echt Talent.“ flüsterte der Tiger ins Ohr der Maus.
„Wir sind sehr zufrieden!“ sagte sie und ordnete dabei die vielen Schnappschüsse.
Der Adler nickte kurz und verschwand mit seiner Ausrüstung in die Weiten des Himmels.
Immer noch ein bisschen verschlafen stürmte der Orang-Utan aus dem Anwesen und begutachtete die Bilder.
Misstrauisch musterte er die Größen der beiden Tiere und verglich sie mit den Fotos.
„Ich dachte mir, dass ein bisschen Talent hinter diesem Schnabel schlummerte. Aber das ist wirklich atemberaubend! Oder waren es doch ein paar Becher zu viel gestern?“
„Um fotografieren zu können, muss man nur sehen“ sagte die Maus.
„Sehen können allerdings die wenigsten.“ ergänzte der Tiger.
„Du hast es auf den Punkt gebracht!“ Die Maus nahm sich einen Zettel und schrieb die beiden Sätze auf, wohl, um sie irgendwann an ihre Wand zu hängen.
Ohne ein Wort zu verlieren drehte sich der Orang-Utan um und steckte heimlich eines der vielen Fotos in sein dichtes Fell.
Er war sichtlich traurig über den raschen Abschied. Er stammte aus einer Generation, in der man Trauer verbarg. Erst recht, wenn man so viel erreicht hatte wie der Orang-Utan. Doch selbst mit dem größten Willen konnte er eine kleine Träne nicht verhindern.
„Kommt bald wieder.“ sagte er und drückte Beide fest an sich.
Es war ein sehr schneller Abschied. Keiner konnte mit dem Moment so richtig etwas anfangen. Sie schwiegen sich an, ihre Zuneigung zueinander, benötigte in diesem Moment keine Worte.
Als sich der Tiger von den Ruinen entfernte blickte er ein letztes Mal auf die zahlreichen Bilder.
„Wo wollen wir nun hin?“ fragte er.
„Mal sehen was so passiert! Bis Bärlin sind es noch ein paar Tage.“
„Los geht’s!“
Paradies
Etwas skeptisch beobachtete der Tiger die Navigation der Maus mit dem kaputten Kompass.
„Hast du überhaupt eine Ahnung wo wir uns hier befinden?“ fragte der Tiger besorgt.
„Kannst du etwa das Wasser nicht riechen? Der Kompass hat mich letztes Mal auch hergebracht.“ antwortete die Maus.
„Nunja. Wasser war noch nie wirklich mein Element.“
Einzig durch das Gespür der Maus angetrieben, näherten sich die beiden einem gut versteckten Wasserfall. Die regnerischen Tage wandelten den kargen Wasserlauf innerhalb von drei Tagen zu einem wunderschönen Naturschauspiel. Am Fuße sammelte ein grünes Becken die fallenden Wassermengen.
Ein wundervoller Ort, um eine Zeit lang zu verweilen.
„Kannst du dich an das Bild aus meiner Tortenkiste erinnern?“ fragte die Maus.
„Selbstverständlich!“
„Wir befinden uns gerade vor der Vorlage!“
Erstaunt starrte der Tiger auf diesen wundervollen Ort. Der Wasserfall war unglaublich hoch und am Fuße von blühender Natur umgeben. In einem großen Becken sammelte sich das Wasser und lud zur Abkühlung ein.
Dieser tolle Anblick genügte der Maus jedoch nicht. Selbst das Schwimmen darin befriedigte ihre Begeisterung nicht vollständig. Sie wollte alles auskosten und so beschloss sie, den Ursprung des Wasserfalls zu suchen. Die wahnsinnige Steigung, die zwischen ihnen und dem höchsten Punkt des Wasserfalls lag, stellte für sie keine Hürde dar. Für den Tiger war diese Steigung auch keine Hürde, sondern vielmehr eine unüberwindbare Mauer. Das Reisen hatte sich ein bisschen auf seine Fitness ausgewirkt. Dicke Blasen zwischen den Krallen machten die neugewonnene Kondition unbrauchbar. Trotz allem näherte sich die Maus der Steigung und überwindete schon nach wenigen Minuten eine beachtliche Höhe. Widerwillig machte sich der Tiger auf den beschwerlichen Weg.
Es dauerte fast eine komplette Stunde bis die beiden schweißgetränkt am höchsten Punkt angelangt waren. Doch die Mühe hatte sich gelohnt.
„Ist das das Paradies?“ keuchte der Tiger voller Begeisterung.
„Ich glaube, da müssten wir noch ein paar Meter höher, aber wir sind nah dran. Sehr nahe!“
In vier aus Felsen geformten Becken sammelte sich das Wasser, bis es hunderte Meter in die Tiefe
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