Eine (fast) perfekte Hochzeit
zerzaust.
Vorher war es Eva nie aufgefallen. Aber plötzlich erschien ihr sein Äußeres, ja seine ganze Aufmachung, viel zu perfekt. Bestimmt zum tausendsten Mal in den letzten vierundzwanzig Stunden nannte Eva sich eine Idiotin.
Traurig erinnerte sie sich an den Moment, als Carter sofort erklärt hatte, dass er wahnsinnig gern Vater werden wollte. Seine Begeisterung war nur geheuchelt gewesen. Natürlich hätte ein Erbe seinen Anspruch auf ihr Vermögen zusätzlich untermauert.
Sogar sein Drängen, eine große Hochzeit zu feiern, erschien Eva im Nachhinein suspekt. Ein rauschendes Fest, zu dem die angesehensten Menschen der Stadt eingeladen waren, das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, wichtige Geschäftsbeziehungen zu knüpfen. Carter hätte zweifellos versucht, die wirtschaftliche Elite von San Francisco für sich einzunehmen.
Carter trat neben sie und wollte ihr gerade höflich den Stuhl zurechtrücken. Doch Eva blieb weiterhin stehen, ohne sich einen Zentimeter zu bewegen.
Erst jetzt bemerkte er ihren Gesichtsausdruck und runzelte die Stirn.
„Ist irgendetwas los?“, fragte er arglos.
„Sag mir nur eins“, entgegnete sie freiheraus. „Ist es wahr?“
„Ist was wahr?“
„Triffst du dich mit einer anderen Frau?“
Einen Moment lang erhaschte Eva einen Blick auf sein wahres Gesicht. Carter entglitten sekundenlang die Gesichtszüge, und was sich auf seiner Miene widerspiegelte, war Schrecken. Dann fasste er sich schnell.
Oh, er ist ein wirklich guter Schauspieler, dachte Eva geringschätzig.
„Ich weiß nicht, was du meinst“, antwortete er vorsichtig, und er warf ihr einen unschuldigen Blick zu. „Eva, ich bin doch mit dir verlobt.“
Er streckte die Hand nach ihr aus. Eva wich ihm aus. Sie war darauf vorbereitet, dass er versuchen würde, Zeit zu gewinnen und die Tatsachen zu verschleiern. Deshalb zog Eva jetzt die Fotos aus ihrer Handtasche und warf sie auf den Tisch.
Still beobachtete sie Carter, während er sich die Aufnahmen ansah. Sein Gesicht offenbarte zunächst Verwirrung. Dann kam der Schock, und schließlich erkannte Eva deutlich, wie angespannt ihr Nochverlobter war.
Als er zu ihr aufblickte, wurde ihr noch etwas anderes klar. Er war nicht bereit, das Spiel aufzugeben. Inzwischen hatte er sich beherrscht und wirkte nun völlig kühl und gelassen.
„Eva, ich kann das erklären …“
„Es gibt noch mehr“, fiel sie ihm ins Wort.
Nachdem Griffin am vergangenen Abend aus ihrem Apartment gegangen war, hatte Eva die Fotos hervorgeholt, die er dagelassen hatte. Sie hatte die Bilder auf dem Couchtisch ausgebreitet und wie betäubt betrachtet, bis eine seltsame Ruhe sie überkommen hatte. Die Schnappschüsse belasteten Carter eindeutig, sie ließen keinen Zweifel zu. Die Fotos zeigten ihn, wie er mit einer vollbusigen Brünetten herumschäkerte … Nach einiger Zeit hatte Eva begonnen, darüber nachzudenken, was es sein könnte, das Griffin ihr nicht zeigen wollte. Ein Videoband vielleicht?
Nun schaute sie Carter eindringlich an. Sie war fest entschlossen, sich weder erweichen noch in irgendeiner Weise einwickeln zu lassen. Er ließ seine Schultern sinken.
„Von wem hast du die?“, wollte er wissen.
„Spielt das eine Rolle?“, entgegnete sie angriffslustig.
Ihr war bewusst, dass sie sich gerade genau wie Griffin benahm. Sie blendete die wichtige Frage, wie die Fotos entstanden waren, einfach aus. Doch das kümmerte Eva nicht.
„Dein Vater“, riet er.
„Griffin Slater“, konterte sie.
Sie verspürte eine gewisse Befriedigung, während sie ihm den Namen sagte. Außerdem war ihre Aussage noch nicht einmal falsch. Schließlich war Griffin derjenige gewesen, der ihr die Fotos ausgehändigt hatte – auch wenn er nur einer Bitte ihres Vaters nachgekommen war.
Carter runzelte die Stirn. „Der Typ, den ich vor einigen Monaten auf einem Empfang im Haus deiner Eltern kennengelernt habe? Der Geschäftsführer der Tremont Real Estate?“
Sie nickte.
„Ich wette, er hat im Auftrag deines Vater gehandelt.“
Sie erwiderte nichts darauf, sondern ballte die Hände stumm zu Fäusten.
Einen Augenblick später verzog Carter den Mund zu einem eisigen Lächeln. „Dein Vater kann mich nicht ausstehen. Er hatte es von Anfang an auf mich abgesehen.“
„Das ist alles? Mehr hast du nicht dazu zu sagen?“
Carter blickte sie kühl an. „Was soll ich denn deiner Meinung nach sagen, Eva?“
„Du hast dich über mich lustig gemacht! Mich angelogen … mich betrogen!“,
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