Eine fast perfekte Lüge
Nagel zu hängen.
„Was jetzt, Sir?“ fragte der Pilot, während sie die Absturzstelle noch ein weiteres Mal umkreisten.
„Fliegen Sie zurück“, sagte Ruger. „Aber fliegen Sie an der Küste entlang. Wir müssen irgendetwas übersehen haben. Der Pilot war Slade dicht auf den Fersen, von daher kann Slade nicht weit von der Stelle, an der der Hubschrauber runtergekommen ist, entfernt sein. Vielleicht ist uns der Himmel ja doch noch gnädig.“
„Wonach halten wir eigentlich Ausschau?“ fragte der Pilot.
„Nach einem Wunder“, brummte Ruger, dann fügte er hinzu: „Und nach einem dunklen Van.“
Um zehn Minuten nach sechs Uhr abends erhielt Macie den Anruf von Ruger.
„Miss Blaine, hier ist Agent Ruger. Ich habe leider keine guten Nachrichten.“
Macie bekam weiche Knie. „Reden Sie schon“, sagte sie.
„Wir haben zwar die Absturzstelle entdeckt, aber keine Spur von dem Piloten, und ohne ihn haben wir wenig Hoffnung herauszufinden, wohin man Jonah gebracht hat.“
Macie hatte das Gefühl, als zöge ihr jemand den Boden unter den Füßen weg. „Nein … nein, das kann nicht sein. Irgendetwas müssen Sie doch tun können.“
„Wir sind auf dem Rückweg an der Küste entlanggeflogen, aber da wir nicht wussten, wonach wir Ausschau halten sollten, war es unmöglich, aus dem, was wir sahen, irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Es tut mir Leid. Wir reden weiter, wenn wir …“
Macie legte einfach auf. Sie wollte nicht noch mehr Plattitüden hören, es würde ihr das Herz brechen. Sie lehnte sich gegen die Wand, dann rutschte sie langsam zu Boden. Ihr Herz hämmerte wie verrückt; ihre Haut fühlte sich kalt und klamm an. Wahrscheinlich hatte sie einen Schock. Sie zog ihre Knie bis zum Kinn hoch und begann am ganzen Leib zu zittern.
Die Zeit verstrich. Sie wusste nicht, wie lange sie da so gekauert hatte, doch als schließlich eine Stimme an ihr Ohr drang, fing ihr Gehirn langsam wieder an zu arbeiten. Irgendjemand redete auf sie ein, versuchte sie dazu zu bringen aufzustehen, und ihr fehlte die Kraft zu sagen, dass sie genau da war, wo sie sein wollte. Sie wollte sterben. Sie wollte nur einfach allein gelassen werden, um zu sterben.
Carl French war zurück, aber käme er auch noch rechtzeitig? Als er mit seinem Aktenkoffer in der Hand in die Blaine-Villa gestürmt war, hatte er damit gerechnet, dass es dort von FBI-Agenten nur so wimmelte. Doch außer den beiden Beamten, die im Lagezentrum Telefondienst machten, hatte er niemanden gesehen, und sie hatten ihm auf seine Fragen nur vage Antworten gegeben. Zudem patrouillierten draußen vor dem Anwesen immer noch dieselben Wachleute. Seine Frustration verwandelte sich in Wut, als man ihm seine Bitte, mit Ruger in Kontakt zu treten, verweigerte.
Er hatte niemanden in sein Vorhaben eingeweiht, da er sich nicht sicher gewesen war, ob es auch wirklich klappen würde. Aber nachdem er dem Direktor die prekäre Situation, in der sie sich befanden, geschildert hatte, hatte er schließlich das Hauptquartier mit einem zweiten Laptop verlassen können, der auf dieselbe Wellenlänge eingestellt war wie der, mit dem McAllister abgestürzt war. Jetzt fehlten ihm nur noch Ruger und ein Hubschrauber.
Doch das FBI war offensichtlich nicht länger zur Zusammenarbeit bereit. Als er sich auszumalen versuchte, was in seiner Abwesenheit passiert sein könnte, fiel ihm Macie ein. Sie konnte ihm bestimmt etwas sagen.
Er machte sich auf die Suche nach ihr, und es dauerte nicht lange, bis er sie gefunden hatte. Wie ein Häuflein Elend hockte sie auf dem Fußboden in ihrem Zimmer. Ihr verwüstetes Gesicht und ihr leerer Blick machten ihn ganz krank. Er ging neben ihr in die Knie.
„Macie! Ich bin’s, Carl. Sie müssen aufstehen und mir erzählen, was passiert ist.“
Verzweifelt schlug sie sich die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf. „Es ist alles sinnlos.“
Carl fluchte in sich hinein, dann packte er sie bei den Schultern und begann sie zu schütteln. „Sagen Sie so etwas nicht!“ schrie er sie an, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen. „Nehmen Sie sich zusammen und reden Sie mit mir, verdammt! Ich muss wissen, was passiert ist.“
Jetzt hob sie den Kopf und starrte ihn aus tränenverschleierten Augen an. „Passiert? Ich will Ihnen sagen, was passiert ist. Ruger hat angerufen. Sie haben die Absturzstelle entdeckt, aber keine Spur von dem Piloten, und das heißt, dass sie Jonah nicht finden können.“ Sie schluckte. „Jetzt habe ich ihn auch noch
Weitere Kostenlose Bücher