Eine fast perfekte Lüge
verloren.“
„Vielleicht, aber vielleicht auch nicht“, erwiderte Carl. „Stehen Sie auf und kommen Sie mit. Möglicherweise gibt es ja doch noch Hoffnung.“
Macie nahm Carls Hand und ließ sich aufhelfen, dann gingen sie zusammen ins Lagezentrum.
„Das ist ein Notfall. Verbinden Sie mich sofort mit Ruger“, verlangte Carl.
„Er ist bereits auf dem Weg hierher“, informierte man ihn.
„Wann wird er da sein?“ fragte Carl.
„In etwa einer halben Stunde, vielleicht auch schneller.“
„Ist er in der Luft?“
„Ja.“
„Dann richten Sie ihm aus, dass er den Hubschrauber auftanken soll, bevor er hierher kommt, und dass er sich seine Fragen noch ein bisschen aufsparen muss.“
„Jawohl, Sir“, sagte der Agent und streckte die Hand nach dem Telefon aus.
„Was haben Sie vor?“ fragte Macie.
Carl öffnete seinen Aktenkoffer und holte einen kleinen grauen Laptop heraus. „Denselben Typ hatte McAllister bei sich. Wenn wir damit schnell genug in die Luft kommen, haben wir vielleicht noch eine Chance. Allerdings müssen wir erst bis auf fünfundzwanzig Meilen an Jonah herankommen, um das Signal auffangen zu können.“
Macie schaute auf den Computer und dann wieder auf Carl. „Oh Gott … glauben Sie …“
„Ich kann nichts versprechen“, sagte er. „Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.“
Macie war so erleichtert, dass sie Carl um den Hals fiel. Er war einen Moment lang sprachlos, aber dann erwiderte er die Umarmung grinsend und gab ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. „Bloß gut, dass uns Slade jetzt nicht sehen kann. Das würde ihm wahrscheinlich gar nicht passen.“
Macie machte sich lachend von ihm los. Sie hätte vor Freude am liebsten geweint, aber noch war es zu früh, um in Freudentränen auszubrechen. Im Moment war sie einfach nur glücklich, dass sie eine zweite Chance bekamen.
Die Strahlen der untergehenden Sonne tanzten auf den Wellen, die sich an den Felsen im Wasser brachen. Irgendwo jenseits der Stelle, an der er lag, konnte Collum das gutturale Knurren und Bellen der Seelöwen hören und das Kreischen der Möwen, die sich um ihre Beute stritten.
Collum zitterte so heftig am ganzen Körper, dass seine Zähne klapperten. Er hatte entweder Fieber oder einen Schock, und vielleicht sogar beides. Vorhin war ihm eiskalt gewesen, aber jetzt war ihm unerträglich heiß, obwohl sich die Sonne bereits anschickte unterzugehen.
Es hatte Stunden gedauert, bis er aus der Strömung getrieben war und es geschafft hatte, an Land zu schwimmen. Und erst als er versucht hatte aufzustehen, war ihm klar geworden, dass er sich offenbar ein Bein gebrochen hatte. Es hatte sofort unter ihm nachgegeben, und gleich darauf war er von unerträglichen Schmerzen überschwemmt worden. Nachdem der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte, war er vom Wasser weggekrochen, um zu verhindern, dass er von der Flut weggespült wurde. Doch als er schließlich erschöpft auf dem Rücken liegen geblieben war, war ihm klar geworden, dass man ihn hier vom Flugzeug aus nicht sehen konnte.
Aber er hatte die Flugzeuge gesehen. Er wusste, dass sie ihn suchten, weil sie fast den ganzen Nachmittag in der Nähe der Absturzstelle gekreist waren. Er hatte versucht, zum Wasser zu kriechen und zu winken, aber er war zu schwach und der Weg war zu weit gewesen. Als sie schließlich davonflogen, konnte er nur noch beten, dass sie bei Tagesanbruch zurückkehren würden. Er legte sich auf den Rücken, bettete seinen Kopf in den Sand und versuchte nicht daran zu denken, wie es Jonah wohl gehen mochte.
Jonah stand in dem stickigen Raum am Fenster und spähte durch die Ritzen zwischen den Brettern. Obwohl er nicht genau sagen konnte, wie spät es war, wusste er doch, dass sich die Sonne bereits anschickte unterzugehen. Seine Männer hätten inzwischen eigentlich schon hier sein müssen, aber sie waren es nicht. Und das konnte nur bedeuten, dass irgendetwas schief gegangen war.
Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, doch er achtete darauf, sich nichts anmerken zu lassen. Am wichtigsten war, dass er Evan gegenüber Zuversicht ausstrahlte. Verzweifelt nach einem Ausweg suchend, drehte er sich um, da er ihr Gefängnis noch einmal genau in Augenschein nehmen wollte.
Als sein Blick auf den Jungen fiel, der auf dem Bett lag, wurde er von seinen Gefühlen fast überwältigt. Sein Sohn. Gott im Himmel, dieser über ein Meter achtzig große Junge war sein Sohn. Es gab so vieles, das Jonah zu gern über ihn gewusst
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