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Eine fast perfekte Lüge

Eine fast perfekte Lüge

Titel: Eine fast perfekte Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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hätte, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt zu versuchen, irgendetwas über ihn in Erfahrung zu bringen. Langsam ging er über den mit Holzbrettern belegten Boden, wobei er ab und zu hochsprang, um dieses oder jenes Brett auf seine Stabilität zu testen, aber keines schien nachzugeben. Das war nicht die erste kritische Situation, in der er sich befand, und bisher war es ihm immer gelungen, sich irgendwie zu retten. Aber diesmal spielte die Zeit gegen sie.
    Da ihm nichts einfiel, was er zu Jonah Slade hätte sagen können, stellte Evan sich schlafend, obwohl er zwischendurch immer wieder einen verstohlenen Blick auf seinen Vater riskierte. Vielleicht war heute ja der letzte Tag ihres Lebens. Jonah beteuerte zwar ständig, dass alles gut werden würde, aber Evan glaubte ihm nicht. Trotzdem erschien ihm seine Situation längst nicht mehr so deprimierend. Jetzt war er wenigstens nicht mehr allein. Sein Vater hatte sich auf die Suche nach ihm gemacht, und er hatte ihn gefunden. Das war schöner als jeder Traum, den er je geträumt hatte.
    Dann sah er, dass Jonah seine Schuhspitze in das Loch schob, in dem die Ratte immer verschwand.
    „Da wohnt Harold“, sagte Evan.
    Jonah wandte sich um.
    „Wer ist Harold?“
    „Eine Ratte. Sie hat mich am ersten Tag gewissermaßen gerettet.“
    „Gerettet? Wie denn, mein Sohn?“
    Evans Herz begann zu hämmern. Sein ganzes Leben lang hatte er sehnsüchtig darauf gewartet, dass ihn dieser Mann Sohn nannte, und jetzt endlich war es so weit. Er war so aufgewühlt, dass er Mühe hatte, Jonahs Frage zu beantworten.
    „Äh … na ja, also … es hatte was mit dem Essen zu tun. Am ersten Tag haben sie mir irgendwas ins Essen gemischt, aber Harold hat es zuerst gefressen. Ich sah ihn wie tot neben dem Tablett mit dem angeknabberten Essen liegen. Da ich Angst hatte, dass sie mich vergiften wollen, habe ich mich tagelang geweigert, irgendwas außer Wasser zu mir zu nehmen. Das hat den Kerl, der mir immer das Essen brachte, rasend gemacht. Und die Frau, die irgendwann kam, um mich zu überreden, ist so durchgeknallt, dass sie drauf und dran war, auf mich loszugehen, aber der andere Typ hat sie aufgehalten.“
    „Dreckskerl“, brummte Jonah und dachte an Calderone. „Miguel Calderones schwarze Seele soll in der Hölle schmoren.“
    Evan rollte sich auf dem Bett herum und wollte aufstehen, doch als er sich auf seinen Hände abstützte, zuckte er zusammen und zog sie schnell wieder zurück.
    Jonah sah nicht zum ersten Mal, dass Evan seine Hände schützend unter seine Oberarme schob, aber er war bisher davon ausgegangen, dass er es machte, weil ihm die Rippen wehtaten. Doch jetzt war er sich nicht mehr so sicher. „Was hast du?“ fragte er und zog Evans Hände hervor.
    Der Junge stieß einen lauten Schmerzensschrei aus. Nachdem Jonah erschrocken von ihm abgelassen hatte, beugte Evan sich vor und schaukelte langsam mit dem Oberkörper hin und her, bis der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte.
    Jonah war verwirrt. Er wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, aber er wagte es nicht, seinen Sohn noch einmal anzufassen. „Es tut mir Leid, es tut mir so Leid“, sagte er. „Was habe ich gemacht?“
    Evan erschauerte, dann schüttelte er den Kopf, wie um den Schmerz loszuwerden. „Ich wollte nicht … du konntest es ja nicht wissen …“ Er streckte Jonah die Hände hin. „Sie tun höllisch weh; ich glaube, sie sind entzündet.“
    Als Jonah die dick geschwollenen Finger sah, musste er erst einmal schlucken, bevor er etwas sagen konnte. „Wie ist das denn passiert?“
    Evan deutete auf das mit Brettern zugenagelte Fenster. „An meinem ersten Tag hier habe ich versucht da rauszukommen. Ich muss wohl ziemlich verzweifelt gewesen sein.“
    „Darf ich nochmal sehen?“ fragte Jonah und streckte ihm auffordernd die Hände hin.
    Nach einem ganz kurzen Zögern legte Evan seine Hände in die seines Vaters.
    Jonah hielt sie behutsam und versuchte sich seine Besorgnis nicht anmerken zu lassen, aber jetzt wurde ihm klar, warum der Junge Fieber hatte. Die Finger sahen schrecklich aus. Sie waren dick geschwollen und eiterten. Am schlimmsten aber waren die schwachen roten Streifen, die sich darüber zogen.
    Großer Gott im Himmel, der Junge hatte die ersten Anzeichen einer Blutvergiftung.
    Er musste ihn so schnell wie möglich von hier wegbringen. Falls Calderone ihn nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden umbrachte, würde er mit Sicherheit an der Blutvergiftung sterben.
    „Es

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