Eine fast perfekte Lüge
dass er nur schlecht geträumt hatte, holte er tief Atem und schob Elena kurzerhand von sich. Sie rollte sich im Schlaf auf die andere Seite und vergrub ihr Gesicht tiefer im Kissen. Er schaute auf ihre üppigen Kurven und die schwarze Flut ihrer Haare und erwog einen Moment lang, sie zu wecken, doch dann überlegte er es sich anders und wälzte sich aus dem Bett. Kaum hatte sein Fuß den Boden berührt, stieg Unruhe in ihm auf.
Vorsichtshalber angelte er sich seinen Revolver vom Nachttisch und verließ das Haus, um draußen auf dem mondbeschienenen Grundstück nach irgendwelchen Anzeichen für einen Eindringling Ausschau zu halten. Aber er konnte nichts Auffälliges entdecken. Selbst der Hund lag im Tiefschlaf auf der Veranda.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass alles in Ordnung war, dachte er an das, was vor ihm lag. Er war gesund und frei, aber sein geliebter ältester Sohn war tot.
Seine Gedanken wanderten zu dem Hangar an der Küste, in dem Evan Blaine gefangen gehalten wurde. Sie hatten den alten Armeestützpunkt mehr als einmal genutzt, um Kokain ins Land zu schmuggeln. Und wenn die Zeit für das Attentat gekommen war, würde an dieser Stelle wieder alles zusammenlaufen. Nur weil sein ursprünglicher Plan, den Präsidenten zu ermorden, durchkreuzt worden war, bedeutete das noch lange nicht, dass er ihn aufgeben musste. Sicher, es war beschämend gewesen, dass seine Partner bei der Razzia auf seiner Hazienda festgenommen worden waren, und sein Ruf hatte dadurch gelitten. Und das hieß, dass es in Zukunft schwieriger werden würde, Leute um sich zu scharen, die der amerikanischen Regierung feindlich gesinnt waren. Aber Calderone hielt sich im Grunde für unbesiegbar, denn sonst wäre er heute nicht dort, wo er war. Deshalb war er fest davon überzeugt, dass er zu gegebener Zeit andere Gleichgesinnte finden würde.
Im Moment jedoch war sein ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet, Rache zu üben. Und dass die Person, an der er seine Rache zu vollziehen gedachte, ein amerikanischer Regierungsbeamter war, war ihm eine zusätzliche Genugtuung. Trotzdem wurde er, während er jetzt so dastand und in die Dunkelheit lauschte, das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte. Deshalb war er auch nicht überrascht, als kurz darauf im Haus das Telefon klingelte. Er warf einen Blick auf seine Uhr, dann ging er hinein, um den Anruf entgegenzunehmen.
„Sí
?“
„Padrone
… Carlos Padillo … er ist immer noch bewusstlos.“
Calderones Hand legte sich fester um den Hörer. Padillo hatte den Jungen bewacht. Was war mit dem Jungen, wenn Padillo nicht mehr auf ihn aufpassen konnte?
„Was ist passiert?“
Sein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung zögerte.
„Dieser Mann … Jonah Slade. Er war gefesselt … aber dann ist trotzdem alles so schnell gegangen.“ Er schilderte in kurzen Zügen, was passiert war.
Calderone hatte das Gefühl, als täte sich der Boden unter ihm auf. „Heißt das, dass Slade – obwohl er gefesselt war – einen meiner Männer angegriffen hat und ihr tatenlos zugesehen habt?“
Als der Mann Calderones ausdruckslose Stimme hörte, wurde ihm ganz schlecht vor Angst, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als zu sagen, was gesagt werden musste. „Aber
Padrone
… Sie haben uns verboten, auf ihn zu schießen, weil es eine Ehrensache für Sie ist, Alejandros Tod selbst zu rächen. Was hätten wir tun sollen?“
Calderone zitterte vor Wut. „Das stimmt, aber ich bin davon ausgegangen, dass ihr in der Lage seid, die beiden ohne Zwischenfälle ruhig zu halten.“
„Sie sind sicher eingesperrt,
Padrone
, und erwarten Ihre Ankunft.“
„Bueno
, also haltet euch von dem Mann fern, bis ich da bin.“
„Ja, das werden wir,
Padrone
, ganz bestimmt. Padillo war selbst schuld, dass es so gekommen ist. Sie haben befohlen, Evan Blaine nicht anzurühren, aber er hat den Jungen böse zusammengeschlagen.“
„Das ist noch lange nichts gegen das, was ich mit ihm machen werde … und mit seinem Vater. Ich komme bald. Und seht zu, dass ihr mich nicht nochmal enttäuscht.“
„Sí, Padrone
. Bei Ihrer Ankunft wird alles so sein, wie Sie es wünschen.“
Calderone trennte die Verbindung, dann schleuderte er wütend das Telefon quer durchs Zimmer. Es krachte gegen die Wand und fiel in seine Einzelteile auseinander. Er hatte Jonah Slade unterschätzt, aber ein zweites Mal würde ihm das nicht passieren.
Er stürmte aus dem Wohnzimmer, die Treppe hinauf in
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