Eine fast perfekte Lüge
von dem Licht der Nachttischlampe, versuchte sie sich aufzusetzen, aber sie schaffte es nicht, weil sie sich in den Laken verheddert hatte. Als ihr klar wurde, dass Jonah auf dem Bettrand saß, sank sie wieder in die Kissen zurück. „Was ist los? Was machst du hier?“
„Du hast geschrien.“
„Oh Gott“, murmelte sie und strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht. „Ich habe von Felicity geträumt“, fuhr sie mit bebender Stimme fort. „Sie brachten sie ins Krematorium, aber sie lebte noch. Ich habe dauernd verlangt, dass sie anhalten sollen, aber sie wollten einfach nicht auf mich hören.“
Wortlos legte Jonah seine Arme um sie und zog sie auf seinen Schoß. Als sie sich an ihn schmiegte, seufzte er. Oh Gott. Sie fühlte sich so verdammt gut an. „Es war nur ein böser Traum, Macie. Du weißt, dass es nicht real war.“
Sie nickte, fügte jedoch hinzu: „Es kam mir aber so real vor.“
„Ja, in unseren Träumen brechen sich unsere schlimmsten Ängste Bahn.“ Dann schmiegte er seine Wange an ihre und schloss die Augen. Ihr Haar war seidenweich, und sie roch so süß … so unglaublich süß.
Macie, die sich von Jonahs Anwesenheit getröstet fühlte, stieß einen tiefen Seufzer aus.
Mehrere Minuten vergingen, ohne dass einer von ihnen etwas sagte. Jonah glaubte schon, sie sei wieder eingeschlafen, als sie sagte: „Ich habe noch nichts zu Abend gegessen. Und du?“
Jonah lächelte. „Ich schon. Rosa war ganz schön beleidigt, als du nicht zum Essen herunterkamst, da habe ich es nicht gewagt, ihr auch noch einen Korb zu geben.“
Macie lehnte sich zurück und schaute Jonah tief in die Augen. „Es tut mir Leid“, sagte sie.
„Was?“
„Dass ich gestern Abend so ausfallend war. Es ist nur passiert, weil ich mich so über Declyn aufgeregt habe, und dann habe ich es an dir ausgelassen. Bitte entschuldige, es tut mir wirklich sehr Leid.“
„Entschuldigung akzeptiert“, sagte Jonah. „Und nun zu dem Abendessen, das du hast ausfallen lassen. Ich kann mir vorstellen, dass du hungrig bist.“
Sie nickte.
„Ist es hier erlaubt, die Küche zu plündern?“ scherzte er.
„Das ist bisher noch nie vorgekommen“, gab sie zurück.
„Und worauf warten wir dann noch?“ fragte er.
Macie musterte ihn schweigend und versuchte sich für die Zeit, in der er nicht mehr in ihrem Leben sein würde, jedes Detail dieses Gesichts einzuprägen. „Auf dich“, sagte sie leise. „Ich warte nur auf dich.“
Die Worte trafen ihn wie ein Fausthieb in den Magen. Er war sprachlos, und das passierte ihm nur höchst selten. Er hatte geglaubt, in ihren Worten eine doppelte Bedeutung mitschwingen zu hören, aber noch ehe er etwas in dieser Richtung sagen konnte, war Macie schon aufgesprungen und griff nach ihrem seidenen blauen Morgenrock.
„Kommst du jetzt mit oder nicht?“ fragte sie, während sie zur Tür ging.
Jonah stand auf. Unter anderen Umständen wäre er ihr in diesem Moment wahrscheinlich bis ans Ende der Welt gefolgt. „Ja, ich komme“, erwiderte er und schluckte den dicken Kloß herunter, der ihm im Hals saß.
Macie zog den bauschigen bodenlangen Morgenrock hinter sich her wie eine Schleppe, während sie neben ihm her zur Treppe ging. Ihr Hunger war plötzlich verflogen, aber das würde sie nicht zugeben. Gegen die kleine Täuschung ließ sich nichts einwenden, wenn diese dazu führte, dass Macie mit dem einzigen Mann, den sie je geliebt hatte, mitten in der Nacht eine ruhige Stunde verbringen konnte. Doch dann verbesserte sie sich selbst im Stillen. Ganz so stimmte das nicht. Als Mädchen war sie bis über beide Ohren in Jonah verliebt gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Aber das, was jetzt mit ihr passierte, war etwas vollkommen anderes. Früher hatte sie von sanften Berührungen, zärtlichen Blicken und liebevollen Küssen geträumt. Da ihre Erfahrung mit Jungen damals ziemlich begrenzt gewesen war, hatte sie über diesen Punkt nie hinausgedacht. Jetzt war sie erwachsen, mit allen Erfahrungen, die eine Frau in ihrem Alter hatte. Heute war sie kein unschuldiges Kind mehr. Sie hatte ihn nackt gesehen. Sie hatte die Kraft gesehen, die in seinem Körper steckte. Sie hatte sexuelle Erfahrungen und malte ihn sich nackt zwischen ihren Beinen liegend aus, sein Körper hart, seine Haut schweißnass, stellte sich vor, wie er sich in ihr bewegte. Darauf hatte sie in Wirklichkeit Hunger, aber sie wusste, dass es ein Hunger war, der heute Nacht nicht gestillt werden würde. Für heute müsste sie
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