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Eine fast perfekte Lüge

Eine fast perfekte Lüge

Titel: Eine fast perfekte Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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Pritsche, dann deutete er darauf und befahl schroff: „Los, essen.“
    Der Duft von warmen Tortillas mit Bohnen ließ Evan das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber er war wild entschlossen, keinen Bissen zu sich zu nehmen, da er befürchtete, sonst womöglich jegliche Kontrolle über sich zu verlieren.
    „Essen Sie es doch selbst“, sagte er und schob das Tablett von sich.
    Verärgert zog der Bewacher die Stirn in Falten. Der Junge war inzwischen drei Tage hier und hatte außer dem Inhalt der beiden Dosen gestern noch keine feste Nahrung zu sich genommen. Nur das Wasser trank er. Aber der Bewacher hatte den Befehl aufzupassen, dass der Junge gesund und am Leben blieb. Nicht auszudenken, was mit ihm passieren würde, wenn dem Jungen etwas zustieße, bevor der
Padrone
den Befehl dazu gegeben hatte. Frustriert fuchtelte er Evan mit dem Gewehrlauf unter der Nase herum.
    Evan fühlte sich so schwindlig und schwach, dass er nicht einmal mehr Angst hatte. Das einzige Mittel, sich zu wehren, war in Hungerstreik zu treten. Offenbar war den Entführern aus irgendwelchen Gründen daran gelegen, dass er aß, so viel hatte er inzwischen mitbekommen. Aber würden sie ihn umbringen? Der Teufel sollte sie alle holen.
    „Schieß doch“, brummte er und beugte sich vor, bis der Gewehrlauf seine Stirn berührte.
    Der Bewacher, der plötzlich Angst bekam, dass sich unbeabsichtigt ein Schuss lösen könnte, riss den Lauf hoch und schlug dem Jungen mit der flachen Hand ins Gesicht.
    Evans Kopf flog zurück und krachte gegen die Wand. Er schmeckte den Kupfergeschmack von frischem Blut auf der Zunge und verspürte einen scharfen Schmerz, weil sich sein Zahn in seine Unterlippe gebohrt hatte. Wortlos beugte er sich über die Bettkante und spuckte aus. Ein mit Blut vermischter Spuckebatzen landete direkt neben dem Schuh seines Bewachers. Er hasste den Mann dafür, dass ihm, Evan, die Tränen in die Augen geschossen waren, aber er war wild entschlossen, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen – nicht mehr.
    „Sie können mich schlagen, Sie können mich sogar erschießen. Sie können mit mir machen, was Sie wollen, aber Sie können mich nicht zwingen zu essen. Ich weiß ganz genau, dass in dem Essen irgendwas drin ist, und ich denke überhaupt nicht daran, mich in eine noch schwächere Position zu bringen, als ich es ohnehin schon bin. Haben Sie das verstanden?“
    Der Bewacher griff wieder nach dem Tablett und stellte es mit einem dumpfen Knall auf dem Boden ab, dann stapfte er wütend aus dem Zimmer. Er schlug die Tür so laut hinter sich zu, dass die Wände wackelten. Evan rappelte sich mühsam auf und holte sich die Wasserflasche. Anschließend stakste er mit dem Tablett auf wackligen Beinen zu dem Loch im Boden und kippte, nachdem er noch ein letztes Mal daran geschnuppert hatte, das Essen hinein. Dann wird wenigstens die Ratte fett, dachte er, während er zum Bett zurückging und sich wieder hinlegte.
    Drei seiner Finger waren beängstigend angeschwollen. Sie hatten sich durch die Holzsplitter unter seinen Fingernägeln entzündet und sonderten blutigen Eiter ab. Er konnte nicht mehr tun, als von Zeit zu Zeit ein bisschen Wasser darüber zu schütten und den Schmerz ansonsten so weit wie möglich zu ignorieren. Wenig später drehte er sich auf die Seite, rollte sich in Embryostellung zusammen und verbannte den Schmerz in die hinterste Ecke seines Bewusstseins.
    Als irgendwo das Dach klapperte, wusste er, dass der Wind aufgefrischt war. Er dachte an die vielen sorglosen Tage, die er in seinem Leben schon verbracht hatte. Er hatte zwar irgendwie gewusst, dass das Böse in der Welt existierte, doch dass es in sein Leben eindringen und es zerstören könnte, hätte er sich nie träumen lassen. Jetzt wünschte er sich verzweifelt, die Zeit zurückdrehen zu können, doch das war nicht möglich. Aber er wusste, dass er das Leben nie wieder als gegeben hinnehmen würde, falls er hier jemals heil herauskommen sollte.
    Eine kleine Weile später hörte er draußen ein Auto vorfahren. Als eine Autotür ins Schloss fiel, stand er auf und lief zur Tür, um zu lauschen. Gleich darauf vernahm er leise Stimmen, aber er konnte sie verstehen.
    „Was soll das heißen, er isst nicht?“ fragte eine Männerstimme.
    „Genau, was ich sage“, erwiderte der Bewacher.
    „Warum nicht?“
    „Am ersten Tag haben wir ihm was ins Essen getan. Bloß damit er schläft, aber anscheinend hat er es spitzgekriegt, und jetzt weigert er sich zu essen.“
    Der Mann

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