Eine fast perfekte Lüge
Evan zu finden, als gestern?“ fragte Macie.
Verärgert schob Ruger sein Kinn vor. „Nein, aber …“
„Jonah glaubt, dass Evans Zeit abgelaufen ist. Wir wissen alle, dass dieses Bestattungsinstitut, das Calderones angeblichen Leichnam abgeholt hat, nicht existiert. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, ist es doch so, dass Calderone uns überlistet hat.“
„Aber …“
„Es gibt kein Aber, Agent Ruger, obwohl es mir Leid tut, das sagen zu müssen. Der Punkt ist doch, dass Jonah glaubt, von irgendjemandem verraten worden zu sein. Er weiß bis zur Stunde nicht, wem er vertrauen kann, und die Ermittlungen kommen nicht voran. Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass Sie bald von einem anderen Agenten hören werden. Davon abgesehen tappe ich genauso im Dunkeln wie Sie.“
Es war das Wort „verraten“, bei dem die Stimmung umschlug. Ruger blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen und Carl French lehnte sich gegen die Wand, als ob er eben einen K.-o.-Schlag hatte einstecken müssen.
„Verraten?“ fragte er fassungslos. „Wieso denn verraten?“
„Weil irgendjemand Calderone Jonahs wahre Identität enthüllt und ihm von Evans Existenz erzählt hat.“
Rugers Zorn war wie fortgeblasen. „Wissen Sie darüber noch mehr, Miss Blaine? Irgendetwas, das uns weiterhelfen könnte?“
Macie schüttelte den Kopf. „Im Moment nicht, aber halten Sie sich einfach bereit. Ich könnte mir vorstellen, dass sogar Hubschrauber benötigt werden, doch das wissen wir mit letzter Sicherheit erst, wenn der Anruf kommt.“
„Du lieber Gott.“ Ruger war fassungslos. „Können Sie uns wenigstens sagen, von wem ich diesen Anruf zu erwarten habe?“
Macie überlegte einen Moment, dann entschied sie, dass es jetzt nicht mehr schaden konnte, wenn sie den Namen des Agenten preisgab. „Der Mann heißt Collum McAllister“, erklärte sie.
„Wer ist das?“ fragte Ruger.
Carl sah ihn mit ausdrucksloser Miene an. „Ein Mann von der Firma“, sagte er mit schroffer Stimme. Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ den Raum.
„Na toll“, brummte Ruger. „Das hat mir gerade noch gefehlt. Noch so ein Spinner, der sich in meine Ermittlungen einmischt.“
„Wenn Sie endlich alle mit diesen ermüdenden Kompetenzstreitigkeiten aufhören und anfangen würden, an einem Strang zu ziehen, wäre wahrscheinlich schon viel gewonnen“, sagte Macie. „Aber jetzt möchte ich Sie noch einmal bitten, mich allein zu lassen, damit ich mich anziehen kann.“
Ruger verließ das Zimmer, wobei er sorgfältig darauf achtete, die Tür leise hinter sich zu schließen, obwohl der Drang, sie zuzuknallen, fast überwältigend war. Ein Verräter? Blödsinn! Genau das war es – ausgemachter Blödsinn. In seiner Organisation gab es keine Verräter. Wie es damit bei der Firma stand, konnte er nicht sagen. Was dort passierte, ging ihn nichts an und entzog sich auch seinem Einfluss.
Collum McAllister hob ab, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Es war ein herrlicher Morgen, fast ohne Smog. Das Piepsen, das sein Computer von sich gab, war laut und vernehmlich, und auf dem Sitz neben ihm wartete noch ein zweiter Marmeladendoughnut darauf, mit Genuss verspeist zu werden.
Anfangs hatte ihm die Idee, diese Sache ohne Wissen des FBI durchzuziehen, gar nicht gefallen, aber Slade hatte darauf bestanden. Und nachdem ihm klar geworden war, dass Slade überzeugt war, von einem Mann aus den eigenen Reihen verraten worden zu sein, hatte er das Bedürfnis nach Geheimhaltung verstanden. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Agent als faul entpuppte, und auch bestimmt nicht das letzte Mal. Trotzdem deprimierte ihn dieser Gedanke, und er hoffte inständig, dass Slade sich in diesem Punkt irrte.
Während er die Hand nach dem Doughnut ausstreckte, behielt er den Echoimpuls auf seinem Monitor im Auge. Das Auto, in dem Jonah saß, fuhr immer noch an der Küste entlang nach Süden. Collum biss von seinem Doughnut ab und dachte daran, dass sie bereits eine ziemliche Entfernung zurückgelegt hatten. Der Gedanke, dass Ruger und seine Leute eine ganze Weile brauchen würden, um ihnen zu Hilfe zu kommen, machte ihn ein wenig nervös. Aber er hatte Jonah versprochen, Ruger erst nach seiner Ankunft zu informieren, und dieses Versprechen wollte er nicht brechen. Davon abgesehen lief ja zum Glück bis jetzt alles nach Plan, zumindest soweit er es sagen konnte.
Sekunden später fiel ihm auf, dass der Echoimpuls auf dem Bildschirm aufgehört hatte, sich zu
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