Eine fast perfekte Lüge
Ich komme und hole dich da raus.“
„Aber …“
Der Bewacher unterbrach Evan, indem er ihm das Handy aus der Hand riss und die Verbindung trennte.
Frustriert stöhnte Evan auf, schaffte es aber trotzdem, dem Mann einen vernichtenden Blick zuzuwerfen.
Der starrte ihn wütend an, verließ dann den Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
Evan ließ sich schwer auf die Pritsche fallen und versuchte zu begreifen, was soeben passiert war. Sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, doch sofort zuckte er zusammen, da er in der Kinnpartie einen scharfen Stich verspürte.
Ich komme und hole dich da raus
.
Es war weit mehr als das, was Evan sich erträumt hatte. Seit seine Tante Macie ihm von seinem Vater erzählt hatte, hatte er sich danach gesehnt, ihn kennen zu lernen. Slade war ein Name, der gewichtig klang. Und wenn das, was er eben gehört hatte, zutraf, würde es bald – sehr bald – endlich so weit sein. Es war fast mehr, als er sich erhoffen konnte – aber er hoffte trotzdem.
Jonah legte auf, dann schaute er auf Felipe. „So, jetzt warten wir.“
Felipe hatte nicht die geringste Lust zu warten, aber er hatte keine andere Wahl. Als er sich setzte, klingelte der kleine Wecker auf einem Tisch in der Nähe. Es war erst acht Uhr morgens. Wie konnte in so kurzer Zeit bloß so viel passieren, obwohl er doch noch nicht einmal gefrühstückt hatte?
„Gibt’s hier Kaffee?“ fragte Jonah.
Felipe sprang auf. „Ich mache welchen.“
„Ich komme mit“, sagte Jonah und folgte dem kleinen Mann in den hinteren Teil des Hauses.
Knapp dreißig Minuten später war wieder jemand an der Haustür. Felipes Herz begann vor Erleichterung schneller zu klopfen. Das konnten nur die Leute sein, die der
Padrone
geschickt hatte. Felipe würde erst aufatmen können, wenn er den Kerl hier wieder los war. Obwohl er seinen Job als Gärtner natürlich ebenfalls los sein würde, sodass ihm nichts anderes übrig bliebe, als von hier zu verschwinden. Und als er jetzt die beiden Männer vor seiner Tür sah, wurde ihm klar, dass es höchste Zeit war, sich aus dem Staub zu machen.
„Wo ist er?“ fragte der eine.
„Hier“, sagte Jonah scheinbar seelenruhig, der inzwischen bei seiner zweiten Tasse Kaffee angelangt war. „Habt ihr schon gefrühstückt? Der Kaffee, den der alte Felipe macht, ist gar nicht mal so übel.“
„Klappe“, schnauzte der Mann Jonah an und schlug ihm die Tasse aus der Hand, dann stieß er ihn gegen die Wand. „Beine breit“, befahl er.
Jonah grinste. „Ganz ruhig, Leute. Ich habe nicht die Absicht, Widerstand zu leisten.“
Die beiden Neuankömmlinge schauten sich an und runzelten verständnislos die Stirn. Der
Padrone
würde diesem Kerl wahrscheinlich die
cojones
abschneiden, um sie zu braten und anschließend zu essen. Er sollte das Ganze also lieber nicht auf die leichte Schulter nehmen.
„Esteban … durchsuch ihn.“
Der Angesprochene zog etwas, das wie ein schwarzer Taktstock aussah, aus seiner Tasche, und fuhr damit an Jonahs Körper auf und ab, so wie es bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen gemacht wurde. Nur dass diese Männer hier nicht nach Metall, sondern nach Wanzen und Bewegungsmeldern fahndeten.
Aber das Gerät schlug nicht an.
„Er ist sauber, Raoul“, sagte Esteban.
„Frisch wie irisches Quellwasser“, witzelte Jonah.
Esteban runzelte die Stirn. „
Que
?“
„Vergiss es“, gab Jonah zurück. „Ein Insiderwitz.“
„Hier lacht aber niemand“, sagte Raoul, dann schlug er Jonah mit der flachen Hand ins Gesicht. „Aber das war witzig, stimmt’s?“ fragte er und begann brutal zu lachen, während er Jonah die Handgelenke aneinander fesselte.
Jonah schluckte seine Wut hinunter. Es hatte keinen Sinn, sich mit diesen Männern anzulegen. Evan würde immer noch verschwunden bleiben, und er selbst hätte die Chance, zu ihm zu kommen, verschenkt.
„Bist du fertig?“ fragte Jonah.
Der Mann wirkte verblüfft. „Halt’s Maul“, brummte er.
„Bringt mich zu meinem Sohn“, verlangte Jonah.
„Wo wir dich hinbringen, entscheiden immer noch wir“, knurrte Raoul wütend und versetzte Jonah einen harten Stoß, um ihn zu bewegen, zur Tür zu gehen. „Los jetzt“, sagte er.
Die Sonne schien bereits heiß vom Himmel, als Jonah aus dem Haus trat. Er ging auf den Van zu und blieb neben der Tür stehen. „Ich nehme nicht an, dass für mich vorn ein Platz reserviert ist, oder?“
„Klappe“, sagte Raoul wieder und stieß ihn hinten in den Van, dann sprang er
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