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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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können. Praktisch war er jedoch viel zu klein und schwach dafür: Der lange Stab der Mulde, der eigentlich für einen ausgewachsenen Mann gedacht war, ließ die Ladung von sechs Backsteinen gefährlich über seinem Kopf wanken.
    Mary streckte die Hand aus, um das Gerät im Gleichgewicht zu halten.
    »Das schaff ich schon allein!«, beharrte Jenkins. Sein Gesicht war vor Anstrengung schon rot angelaufen.
    »Lass mich doch helfen!«
    »Lass mich in Ruhe!« Er schlug nach ihrer ausgestreckten Hand und verlor damit das letzte bisschen Kontrolle über die Tragmulde. Mary hatte gerade noch genug Zeit, aus dem Weg zu springen, bevor die Ziegelsteine zu Boden krachten.
    »Was zum Teufel ist denn hier los?« Das Gebrüll kam von einem Mann in fünfzig Metern Entfernung, der vor Wut kochte.
    Sie erstarrte schuldbewusst.
    Jenkins befreite sich aus dem Backsteinhaufen und wollte gerade davonlaufen, aber Keenan war schon fast bei ihnen. Einen Augenblick später hatte er beide am Ohr gepackt.
    Jenkins jaulte auf.
    Mary zog scharf die Luft ein, gab aber sonst keinen Mucks von sich.
    »Halt diesen Bengel mal«, knurrte Keenan und schubste Jenkins zu einem anderen Mann. Mary hatte keine Möglichkeit zu sehen, wer es war. Dann wandte er ihr seine volle Aufmerksamkeit zu und schüttelte sie wie ein nasses und zerknülltes Wäschestück. Ihr Kopf flog hin und her und Tränen schossen ihr in die Augen. »Was glaubst du eigentlich, wo zum Teufel du hier bist? In der Kinderschule vom kleinen LordFauntleroy?«, knurrte Keenan. »Das hier ist eine Baustelle, du elender Rotzbengel!« Er schien keine Antwort zu erwarten und hörte auch nicht lange genug auf, sie zu schütteln, um ihr die Möglichkeit dazu zu geben. »So was Blödes und Bescheuertes zu machen! Warum ist dieser Balg von Jenkins überhaupt bei dir? Warum schleppst du keine Ziegel? Was zum Teufel spielst du da eigentlich, Quinn?«
    Er hätte sie womöglich weitergeschüttelt, bis sie ohnmächtig wurde, aber irgendwo in dem Ausbruch von Wut und trotz ihres Anfalls von Schwindel hörte Mary ganz schwach eine beruhigende Stimme. »Komm schon, Keenan, er ist doch noch ein Kind. Verhau ihn, wenn du meinst, aber schüttel ihn nicht zu Tode.«
    Ein paar schreckliche Sekunden ging es unvermindert weiter. Dann ließ das Schütteln nach und hörte schließlich ganz auf. Langsam kam die Erde wieder vom Kopf auf die Füße. Die Sternchen vor ihren Augen verflogen. Sie konnte wieder Gesichter erkennen, vor allem Keenans wutentbrannte Fratze dicht vor ihrem Gesicht.
    Statt erleichtert zu sein, wurde Mary von kochender Wut erfüllt. Sie hatte gute Lust, auf Keenan loszugehen, in zu treten und zu boxen und zu beißen, bis er wusste, was sie gerade fühlte. Aber trotz des impulsiven Anfalls von Zorn überwog doch ein Rest von Vernunft: Keenan könnte sie zu Brei schlagen. Er war ein großer, kräftiger Mann und sie ein zierliches Mädchen. Mit ihm konnte sie sich nicht messen.
    Sie stand so still, wie sie konnte, schnappte immer wieder nach Luft und funkelte ihn durch ihre zerzausten Haare an. Mehrere Minuten standen sie da, Maurer und Hilfskraft, und starrten sich voller Hass an. Auch Keenan keuchte. Mühsam wandte er den Blick von ihr dem Backsteinhaufen zu: drei waren angeschlagen, einer entzwei. Nur gut, dass Jenkins so klein war; wenn die Steine von weiter oben gefallen wären, hätten sie alle zerbrechen können.
    »Die angeschlagenen können wir noch verwenden«, sagte Stubbs einlenkend und hob sie mit den zwei unbeschädigten Ziegeln auf. »Wir drehen sie einfach um.«
    Keenan grunzte. »Hast du ja noch mal Glück gehabt«, murmelte er. »Gehen nur vier Pence von deinem Lohn ab, für den kaputten.«
    Sie zwang sich zu einem Nicken.
    »Aber eine Lektion kriegst du trotzdem ab«, fuhr er mit grimmiger Genugtuung fort. »Dann wirst du klüger sein, als auf einer Baustelle Unsinn zu treiben. Und das gilt auch für dich.« Er fuhr herum und deutete mit dem Finger auf Jenkins, der schlaff in Smith’ Griff hing. »Hier, halt den mal fest!«, knurrte Keenan und schubste Mary in Reids Richtung.
    Sie stolperte, wurde dann jedoch von einer festen, aber gleichgültigen Hand gepackt. Reids Hände lagen auf ihren Schultern, und sie war froh, dass er sie dort gepackt hatte. Ihre Brust war zwar fest umwickelt, aber die Bandagen konnten auffallen, wenn er sie um den Oberkörper gefasst hätte. Bei dem Gedanken legteihr Puls, der sowieso schon raste, noch ein bisschen zu. Neben ihrer Wut verspürte sie

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