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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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dass das unwahrscheinlich war. Ihre Eltern waren sehr arm gewesen, ihr Vater war öfter auf See als zu Hause, ihre jüngeren Geschwister waren tot geboren. Dennoch klammerte sie sich trotzig an diese Vorstellung. Ihr Vater war ein mutiger, intelligenter Mann von Prinzipien gewesen und sein Tod hatte ihre Familiezerstört. Automatisch glitt ihre Hand an ihren Hals, um den Jadeanhänger zu berühren, den er ihr hinterlassen hatte. Aber sofort fiel ihr ein, dass er ja weit weg war: Er lag sicher in ihrem Schreibtisch in der Akademie, zusammen mit ihrer eigentlichen Identität als Frau. Zurzeit war sie nur ein Junge namens Mark, und wenn sie die ganze Geschichte nicht völlig vermasseln wollte, dann merkte sie sich das mal besser.
    Sie betrat die Pension von Miss Phlox durch die Seitentür. Ein Schritt, und sie war umhüllt von dem heißen, dichten Dunst des Waschtages: kochendes Wasser, Kernseife, Bleiche und heiße Leinenstärke. Winnie, das Mädchen für alles, bügelte in der Küche Betttücher und sah auf, als Mary eintrat. »Abendessen ist in der Speisekammer.« Ihre Stimme war atemlos, sodass sie noch jünger klang als ihre zwölf oder dreizehn Jahre.
    »Danke.« Mary war plötzlich heißhungrig, und innerhalb von kürzester Zeit hatte sie die zwei dünnen Brotscheiben mit Butter verschlungen, die das »Abendessen« waren.
    Winnie stellte das Eisen zum Aufheizen in die Glut und goss Mary einen kleinen Becher Bier ein. Ihr Blick war auf Marys Gesicht gerichtet. Als Mary sie ebenfalls ansah, wandte sie den Blick ab, doch im nächsten Augenblick starrte sie sie schon wieder an. Sie war seit ihrer ersten Begegnung fasziniert von »Mark« Quinn.
    Mary trank ihr Bier und versuchte, so zu tun, alswürde sie es nicht bemerken. Es gab viele mögliche Gründe, warum Winnie sie anstarrte. Sie war neu hier; vielleicht hatte sie auch schmutzige Streifen im Gesicht; vielleicht   … Mary gab es auf. Sie wusste nur zu gut, warum sie das Mädchen so neugierig anstarrte: Winnie war Chinesin, wie Marys Vater, und deshalb interessierte sie Marys Aussehen. Schwarzes Haar. Die ebenmäßigen Züge. Das »Exotische«, von dem die Leute so oft redeten.
    Mary verließ die Küche so schnell wie möglich. Sie hatte keine Ahnung, wie sie auf Winnies Neugier reagieren sollte, und wollte jedem Gespräch mit dem Mädchen ausweichen, bis sie sich eine Strategie zurechtgelegt hatte. Sollte sie alles abstreiten? Schließlich war ihr asiatischer Einschlag nicht eindeutig zu sehen. Ihr Gesicht war hellhäutig, ihre Augen rund, sodass sie meistens als der dunkelhaarige irische Typ durchging. Selbst hartnäckige Frager wollten im Allgemeinen wissen, ob sie aus Spanien oder Italien war. Das passte Mary ganz gut. Sie hatte überhaupt keine Lust, ihre chinesische Abstammung einzugestehen und sich mit den Fragen und Feindseligkeiten auseinanderzusetzen, die unweigerlich kamen. Auf jeden Fall
noch
nicht. Sie schob die Gedanken beiseite, stieg in den zweiten Stock zu ihrem Zimmer und wappnete sich für die nächste Herausforderung.
    Ein Mann saß auf dem Bett, zog sich die Stiefel aus und erfüllte den Raum mit dem Geruch nach Schweißfüßen. Als sich die Tür öffnete, blickte er auf. Sein Blick war zugleich argwöhnisch und abgespannt.
    »Hallo«, brachte sie nervös hervor.
    »’lo.«
    Wie verhielt man sich unter solchen Umständen? Später würde sie das Bett mit diesem Fremden teilen   – eine ungemütliche Tatsache in billigen Absteigen mit teuren Betten. Aber wie viel redeten Männer untereinander? Wie würden sie festlegen, wer auf welcher Seite schlief? Und wie um Himmels willen konnte sie ihr Geheimnis vor ihm bewahren? »Ich heiße Quinn«, sagte sie zaghaft.
    Er nickte. »Rogers.«
    Als offensichtlich wurde, dass er sonst nichts sagen wollte, hängte sie ihre Kappe und Jacke an einem Haken hinter der Tür auf. An dem kleinen Waschtisch war die Wasserkanne halb gefüllt und das kratzige Handtuch war sorgfältig nur auf einer Hälfte benutzt. Sie wusch sich schnell, indem sie sich das Gesicht und den Hals schrubbte und ihr Haar nass machte, um den Baustaub loszuwerden. Mehr würde sie in der nächsten Zeit nicht machen können. Bei Miss Phlox kostete ein Bad extra und war nur Mittwoch und Samstag zu haben. Aber obwohl sie das Geld gehabt hätte, gab es keine Möglichkeit, dabei ungestört zu sein.
    Sie hielt es in dem Raum unter dem steten Blick von Rogers nicht aus. Sein Blick war nicht feindselig, entschied sie   – eher enttäuscht,

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