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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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angemessen zu verbergen; und alle Verstecke waren Sackgassen.
    Sie holte noch mal tief Luft, egal, ob er es hörte. Eswar ihre letzte Chance. So schnell sie konnte, spurtete sie über die freie Fläche, und ihre Stiefel knallten laut auf das Kopfsteinpflaster. Am Zaun angekommen quetschte sie sich durch die enge Lücke. Sie blieb mit ihrer Hose an den Latten hängen und zerkratzte sich Schienbeine und Hüfte. Sie purzelte auf die Straße und lachte in sich hinein, als sie hörte, wir ihr Verfolger sich abmühte und vor sich hin fluchte. Ein Er wachsener würde keinesfalls durch den Spalt passen. Zumindest kein erwachsener Mann.
    Sie kam hoch und rannte weiter, auch wenn sie wusste, dass sie es geschafft hatte. Erst, als sie fast bei Miss Phlox’ Pension war, verlangsamte sie ihren Schritt. Es war jetzt stockfinster, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie viel Uhr es sein mochte. Ihre Lungen brannten, die Schrammen an der Hüfte und den Schienbeinen ebenfalls. Als sie durch das schmale Gartentor trat, war sie plötzlich völlig erschöpft. Die breiten Steinstufen sahen herrlich einladend aus; sie hätte sich dort zusammenrollen und auf der Stelle einschlafen können. Stattdessen stolperte sie die zwei Stockwerke hoch und fiel mit allen Kleidern aufs Bett, ohne auf Rogers und sein lautes Schnarchen zu achten. Innerhalb von Sekunden war sie eingeschlafen.

Neun
    L eider konnte Mary nicht lange schlafen. Der Morgen brach früh herein und sie schlug die Augen auf. Verkrampft und stockstill lag sie da und überlegte, wo zum Teufel sie eigentlich war und wer da neben ihr lag. Als ihre Erinnerung zurückkehrte, ließ ihre Anspannung etwas nach. Die schäbige, vergilbte Wand, die kratzige, durchhängende Matratze, das Rattern von Karren auf der Straße unten   – all das war Teil ihres neuen Lebens in Lambeth. Oder genauer gesagt des Lebens von Mark Quinn.
    Neben ihr lag Rogers und schnarchte dröhnend. Er hatte sich ganz in die speckige Decke eingewickelt, die sie eigentlich teilen sollten. Mary war das nur zu recht. Sie lag still da und beobachtete, wie das schwache Licht   – man konnte kaum von »Sonnenlicht« sprechen, so grau war es   – heller wurde. Tief im Bauch spürte sie einen schneidenden Schmerz. Nicht Hunger, sondern das dringende Bedürfnis, Wasser zu lassen. Aber das konnte sie kaum erledigen, solange Rogers im Zimmer war. Zur Ablenkungzwang sie sich, die gestrigen Ereignisse durchzugehen.
    Als Erstes dachte sie an das Schicksal von Peter Jenkins. Nach der Tracht Prügel würde er tagelang nicht richtig gehen können, und es bestand außerdem eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass sich seine blutigen Striemen gefährlich entzünden könnten. Doch Harkness hatte ihm seinen Tageslohn gegeben und ihn mit den dürren Worten davongeschickt, dass er schon einen Platz auf der Baustelle für ihn finden würde, sobald er sich erholt habe. Aber selbst wenn Jenkins’ Wunden richtig verheilten und er zu seiner Arbeit zurückkehrte, blieb doch die Frage, wie er bis dahin über die Runden kommen sollte. Ohne Lohn, ohne Arznei. Es war skandalös. Das Mindeste, was sie tun konnte, war, zu versuchen, ihm zu helfen, wenn der abstinenzwütige, Klischees verbreitende, fromme Harkness sonst nichts tat. Sie würde heute mit der Agentur in Verbindung treten und Jenkins’ Adresse herausfinden.
    Harkness’ Pflichten gegenüber Jenkins führten zu der Frage nach seiner Beziehung zu den anderen Arbeitern. Obwohl Harkness theoretisch versuchte, eine alkoholfreie Baustelle zu leiten, konnte er einfach nicht verhindern, dass die Männer Bier oder Schnaps tranken. Während der Pausen hatten sie die Möglichkeit, zum Pub zu flitzen, oder sie konnten sich ihren eigenen Flachmann mitbringen. Das bedeutete, dass Harkness entweder sehr naiv war oder einfach nur schlau die Kosten drückte. Auf den meistenBaustellen wurde den Männern Bier als Erfrischung angeboten, bisweilen auch Schnaps, um sie bei feuchtem Wetter aufzuwärmen. Doch wenn Harkness nur Tee zur Verfügung stellte   – billigen Tee und davon auch nicht mal genug   –, konnte er etwas Geld sparen. Eine geniale Idee: Harkness machte einen kleinen Gewinn bei den Getränkeausgaben, und Jenkins machte einen noch kleineren Gewinn, indem er die Männer versorgte. Die Einzigen, die einen Verlust machten, waren die Arbeiter selbst.
    War Harkness der Typ für so etwas? Schwer zu sagen. Abgesehen von seinem unglückseligen Muskelzucken sah er wie jeder andere englische

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